Gladbeck. Zu ihrem Jubiläum wollen Stadt und Kinderschutzbund 140 Tauben fliegen lassen. Tierschützer schlagen Alarm. Im Netz tobt ein großer Shitstorm.
Damit hatte weder beim Kinderschutzbund noch bei der Stadtverwaltung jemand gerechnet: Die Ankündigung, zum 100. Stadtgeburtstag und zum 40-jährigen Bestehen des Gladbecker Kinderschutzbundes am Mittwoch am Rathaus 140 Tauben aufsteigen zulassen, hat einen Sturm der Entrüstung entfacht. Allein auf der Facebook-Seite der Stadtverwaltung gab es mehrere hundert Kommentare. Haupttenor: „Das ist Tierquälerei.“
Es geht wohl um eine generell Abrechnung mit dem Brieftaubensport
Dabei scheint die Aktion am Rathaus für die meisten nur der Aufhänger zu sein für eine generelle „Abrechnung“ mit dem Brieftaubensport. Ein Kommentar: „Schon das Wort kotzt mich an.“ Tauben aus dem Schlag zu nehmen, dem Partner zu entreißen, damit sie schnell wieder nach Hause fliegen, sei kein Sport. Auch die Reaktion der Stadtverwaltung, die auf die lange Tradition des Brieftaubensports im Ruhrgebiet hinweist, konnte die Gemüter nicht beruhigen. Im Gegenteil: „Stierkampf ist auch eine Tradition und da würden Sie sicher sagen, dass es Tierquälerei ist“, schreibt ein Kommentator. „Den Tauben wird, wenn sie nach dem Flug nichtrechtzeitig zurückkehren, der Hals umgedreht“, sagte ein WAZ-Leser am Telefon. Und ein User schreibt sogar: „In anderen Ländern ist auch Genitalbeschneidung Tradition.“ Und fast alle Kommentatoren finden es unmöglich, eine Veranstaltung für Kinder mit dem Leid von Tieren zu verbinden. Vielmehr müsse schon den Kleinen der Tierschutzgedanke nahe gebracht werden.
„Auch vom Auflass am Rathaus werden einige Tiere nicht zurück nach Hause finden“
Gabriele Laupenmühlen brachte ihren Unwillen in der Redaktion zum Ausdruck. Sie hat 2018 beim Umweltpreis der Stadt eine Urkunde bekommen – für ihr ehrenamtliches Engagement für Stadttauben in Not. Immer wieder kümmert sie sich um verletzte Tauben. Wenn sie einen Ring tragen, setzt sie sich mit dem Züchter in Verbindung, verletzte Tiere bringt sie in die Taubenklinik nach Essen. Dass es so viele Tauben in der Stadt gibt, ist ihrer Ansicht nach auch dem Brieftaubensport zu „verdanken“: „Brieftauben, die nicht in ihren Schlag zurückkehren, enden als die von vielen Menschen verachteten Stadttauben. Auch von dem „sicher gut gemeinten Auflass am Rathaus werden einige Tiere nicht zurück nach Hause finden.“
Kinderschutzbund: Die Kinder freuen sich auf die Aktion mit den Tauben
Gabriele Laupenmühlen hat auch versucht, Dr. Peter Fischer, den Vorsitzenden des Kinderschutzbundes, dazu zu bewegen, den Auflass abzusagen. Der aber ließ sich nicht umstimmen. „Wir machen die Veranstaltung einschließlich des Taubenstarts für Kinder, die in ihrem Leben schon so viel mitgemacht haben, wie sich kaum einer vorstellen kann“, sagte er im Gespräch mit der WAZ. „Sie freuen sich darauf.“ Die Mitglieder der Reisevereinigung Gladbeck seien erfahrene Züchter, die ihre Tauben gern für diesen Zweck zur Verfügung stellten.
Die Stadtverwaltung hat sich nach den heftigen Reaktionen vorsichtshalber noch mit dem Kreisveterinäramt in Verbindung gesetzt. David Hennig aus der Pressestelle: „Die Fachleute dort sehen in dem Taubenauflass überhaupt kein Problem, wenn die Temperaturen nicht über 30 Grad klettern, oder es Sturm oder Gewitter gibt. Dann lassen wir die Aktion ausfallen.“
Veranstalter müssen Mittwoch mit Protesten von Tierschützern vorm Rathaus rechnen
Möglicherweise müssen die Veranstalter mit Protesten von Tierschützern vor Ort rechnen. Einige Kommentatoren deuten so etwas auf Facebook schon an. Zum Beispiel: „Ich stelle es mir morgen schon vor: der eigentlich freudige Anlass, 100 Jahre Gladbeck und 40 Jahre Kinderschutzbund, und die Veranstalter werden ausgebuht.“