Gladbeck. . Annegret Gerisch hat seit 1975 eine Freundin in Österreich, die sie oft besuchte. Trotz der Entfernung: Die beiden haben eine enge Verbindung.
In einer blauen Kiste bewahrt Annegret Gerisch alle Briefe auf. „Monika“ steht auf einem Zettel an der Box, der Name ihrer Brieffreundin. „Ich habe meinem Sohn gesagt, dass er die Briefe nicht lesen, sondern wegwerfen soll, wenn ich nicht mehr bin. Schließlich ist darin das ein oder andere Geheimnis aufgeschrieben“, erzählt die 64-Jährige.
1975 lernten sich die beiden Frauen kennen. Annegret Gerisch war einige Jahre zuvor als 17-Jährige erstmals nach Weißenbach in Österreich gereist. Mit ein paar Leuten aus dem kleinen Dorf freundete sie sich an, kehrte immer wieder mal zum Urlaub machen zurück.
Die junge Frau, die später ihre Freundin werden sollte, hatte einen Mann aus der Clique geheiratet und als Annegret Gerisch und Monika Siegele sich das erste Mal kennenlernten, war schnell klar: die beiden mögen sich. „Wenn ich jemandem einmal meine Freundschaft schenke, dann für immer“, erzählt die gebürtige Gladbeckerin. Und sie behielt Recht. Bis heute schreiben sich die beiden Frauen, wenn auch inzwischen eher über WhatsApp als die klassischen Briefe.
Vor vier Jahren sahen sich die beiden das letzte Mal
Zuletzt gesehen haben sich die Deutsche und die Österreicherin vor vier Jahren. Nach unzähligen Malen, die Annegret Gerisch gemeinsam mit ihrem Mann die Freunde besucht hatte, fuhr sie nach seinem Tod erstmals alleine nach Österreich. „Das war komisch. Zusammen hatten wir immer so viel Spaß gehabt.“ Auch in dem Dorf fanden die beiden schnell Anschluss und viele Bekannte. „Selbst wenn wir morgens Brötchen holen gegangen sind, fragte der Bäcker: „Na, seid ihr auch wieder da?“
WAZ-Serie anlässlich der Europa-Wahl
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Einmal besuchten Monika Siegele und ihr Mann Gerold auch Annegret Gerisch und ihren Mann Klaus in Gladbeck. In Wittringen gingen sie gemeinsam ein Bier trinken. „Monika schmeckte Berliner Weiße mit Waldmeistergeschmack so gut. Seitdem brachte die Gladbeckerin ihrer Freundin bei jedem Besuch etwas von dem Getränk mit, das es in Österreich nicht gab.
Auch Sorgen miteinander geteilt
Als ihr Mann 2010 starb, spürte die Mutter zweier Söhne noch einmal besonders deutlich die enge Verbindung zu ihrer viele Kilometer entfernt lebenden Freundin. „Ich wurde zu meinem Mann ins Krankenhaus gerufen und Monika versuchte mich den ganzen Tag zu erreichen, weil sie spürte, dass irgendetwas nicht stimmte“, erinnert sich Annegret Gerisch. Und tatsächlich: Der damals 64-Jährige starb an diesem Tag.
Über die Jahre teilten die beiden so auch die ein oder andere Sorge miteinander. „Ich habe Monika Dinge anvertraut, die ich meinen Freundinnen hier nicht erzählt habe. Manches ist durch die Distanz einfach leichter.“
Jetzt hofft Annegret Gerisch, die lange Zeit bei Karstadt als Verkäuferin gearbeitet hatte, dass sie eines Tages noch einmal ihre Freundin besuchen kann. „So ein Urlaub ist nicht mal eben bezahlt. Für Zugfahrt, Gastgeschenke etc. muss ich eine Zeit lang sparen“, so die Rentnerin.