Gladbeck. . Züchter in Südafrika und Asien blättern fünf- bis sechsstellige Beträge hin, um bei deutschen Fachleuten erfolgversprechende Tauben zu kaufen.
Ende der 60er-Jahre. Mit einem Freund ein Rundgang durch die Düsseldorfer Philipshalle, in der die Verbandsausstellung edle und preisgekrönte Brieftauben präsentierte. In exponierter Stellung zu bewundern die Ass-Täubin. Noch mehr Verwunderung, ja Fassungslosigkeit löste das Schild neben dem Käfig aus, das interessierten Züchtern verriet, dass eben diese Täubin für den stolzen Preis von 10.000 DM den Besitzer wechselte. Ihr neues Domizil: ein Taubenschlag in Japan.
Tauben nach China verkauft
„Es ist schon Wahnsinn, welche Summen auf den Tisch gelegt werden“, macht Kurt Schmiemann, der selbst seit Jahrzehnten zu den besten Züchtern im Ruhrgebiet zählt, aus seinem Herzen keine Mördergrube. „So hat der Schlag Heeremann-Ceusters für mehr als vier Millionen Euro Tauben nach China verkauft.“
„Züchter hier in der Umgebung nehmen oder kaufen gern meine Tauben.“ Kein Wunder, schließlich sicherte sich Schmiemann insgesamt zehn Mal den Meistertitel in den RVen Dorsten und Gladbeck. „Für mich ist es schön zu sehen, wenn andere Sportsfreunde mit meinen Tauben gut schicken. Hin und wieder muss man die eigenen Tauben mit fremdem Blut kreuzen, auf Versteigerungen habe ich mir daher auch einige Tauben gekauft,“ sagt Schmiemann.
Hohe Preise auf Versteigerungen
Die gleiche Überlegung treibt auch Anton Nowak um, seit Jahren Top-Züchter und Urgestein der Gladbecker Reisevereinigung. „Um einzukreuzen, kaufe ich für kleines Geld Tauben anderer Schläge. Um die 100 Euro gebe ich für die Taube aus, für eine richtig gute vielleicht auch 200 Euro. Aber das ist mein absolutes Limit“, macht der temperamentvolle Züchter deutlich. Auf Versteigerungen in Nachbarstädten schaue er sich häufiger um. Auf einer solchen Veranstaltung sei für eine Taube mal ein Wahnsinnspreis ausgerufen und gezahlt worden. „Die Taube hat für 252.000 Euro den Besitzer gewechselt. Wirklich Wahnsinn“, so sein Urteil.
Top-Täubin aus Butendorf
Manfred Berger, seit vielen Jahren „Chef“ der RV Gladbeck, hat es live ein paar Nummern kleiner erlebt. „Bei einer Versteigerung wurde für eine Taube 2100 Euro geboten und auch gezahlt“, so Berger. Im Internet, auf einer belgischen Seite, erlebt man nicht selten Transaktionen im sechsstelligen Bereich. „Vor allem in Südafrika, China und Japan scheint es eine Reihe von Züchtern zu geben, die mit Macht den Erfolg wollen und bei denen Geld eine untergeordnete Rolle spielt.“ Taubenverrückt seien auch die Züchter in Polen, die aber bei diesen Dimensionen nicht mitspielen.
12.000 Euro für eine Taube
„Bei der letzten Verbandsausstellung hat ein Spitzenschlag eine Taube gespendet, die dann für 12.000 Euro ersteigert wurde.“ Sein persönliches Limit lag und liegt bei 150 Euro pro Vogel. Sein Vorgänger im Amt, der Kirchhellener Züchter Johann Beckmann, ersteigerte vor Jahren den besten Vogel des Ruhrgebiets – für 16.000 Euro. „Johann hat mir einen Enkel dieses Vogels geschenkt. Das hat sich deutlich bemerkbar gemacht.“ Bergers Quintessenz: „Die besten Tauben bekommt man ohnehin geschenkt.“
Hintergrund
Gerade in Fernost, aber auch in manchen Ländern Osteuropas, boomt der Sport mit den gefiederten Rennpferden.
Das ist im Grunde wie vor wenigen Jahrzehnten noch an Rhein und Ruhr.
Kaum ein Dach, das nicht von zahlreichen Ausflügen geziert wurde, kaum ein Garten, in dem sich nicht ein schöner Gartenschlag verbarg.
Eine spezielle Erfahrung machte der belgische Cousin des gestorbenen Züchters Wilfried Hallai. Auf einem Nationalflug in Belgien in den 60iger Jahren landete seine Täubin auf dem ersten Platz. Wenige Wochen später erhielt er Besuch aus Japan, der ihm umgerechnet 5000 DM für das Tier bot. Binnen weniger Minuten war die Transaktion in trockenen Tüchern. Mit dem Hochgefühl, eine Taube aus dem renommierten Belgien erstanden zu haben, trat der Japaner den Heimflug an. Dass die Top-Täubin in Gladbeck-Butendorf, auf dem Schlag des Langstreckenspezialisten Wilfried Hallai, das Licht der Welt erblickte, hat der Belgier dem stolzen Käufer nicht auf die Nase gebunden...