Gladbeck. . Es gibt wieder Haushaltsüberschüsse im Kreis Recklinghausen, auch Schulden werden abgebaut. Doch: Risiken bleiben, so Martin Junkernheinrich.

Die Städte im Kreis Recklinghausen sind finanziell auf einem guten Weg. Im Jahr 2017 haben sie einen Haushaltsüberschuss von durchschnittlich 252 Euro je Einwohner erzielt (Vorjahr: 185 Euro). Die kurzfristigen Verbindlichkeiten (Kassenkredite) konnten um 100 Millionen Euro abgebaut werden. „Die Haushaltssituation birgt aber nach wie vor viele Risiken“, sagt der Finanzexperte Prof. Dr. Martin Junkernheinrich von der TU Kaiserslautern.

Kommunalfinanzbericht Metropole Ruhr 2018

Der Finanzexperte Prof. Dr. Martin Junkernheinrich von der TU Kaiserslautern sieht trotz einer Verbesserung der Finanzlage im Kreis Recklinghausen noch einige Risiken.
Der Finanzexperte Prof. Dr. Martin Junkernheinrich von der TU Kaiserslautern sieht trotz einer Verbesserung der Finanzlage im Kreis Recklinghausen noch einige Risiken.

Mit der Direktorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR), Karola Geiß-Netthöfel, und dem Vorsitzenden der RVR-Verbandsversammlung, Josef Hovenjürgen (CDU), legte Junkernheinrich jetzt in Essen den „Kommunalfinanzbericht Metropole Ruhr 2018“ vor. Die gute Konjunktur, niedrige Zinsen, zusätzliche Millionen aus dem Stärkungspakt und Entlastungen bei den Sozialausgaben haben dazu geführt, dass die Gesamtheit der Kommunen im Ruhrgebiet zum ersten Mal seit 1998 wieder einen Überschuss erwirtschaften konnte. Der betrug 126 Euro je Einwohner (Kreis Recklinghausen: 252 Euro).

Gespräch mit der Bundesregierung

Die Kommunalfinanzen seien aktuell an einem Wendepunkt, so der Experte. Nach der Erreichung des Haushaltsausgleichs gehe es nun darum, die Haushalte „konjunkturfest“ zu machen – für die Zeit des nächsten Abschwungs. Für den Finanzexperten heißt das: Abbau der sozialen Belastungen (Bund und Land sollen die Kosten für jene Aufgaben übernehmen, die sie an die Kommunen übertragen haben) sowie Entschuldung der Städte.

RVR-Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel kündigte an, dass eine Delegation mit Oberbürgermeistern und Landräten aus dem Ruhrgebiet mit der Bundesregierung über einen Altschuldenfonds reden will.
RVR-Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel kündigte an, dass eine Delegation mit Oberbürgermeistern und Landräten aus dem Ruhrgebiet mit der Bundesregierung über einen Altschuldenfonds reden will. © Volker Wiciok

Geiß-Netthöfel kündigte an, dass eine Delegation mit Oberbürgermeistern und Landräten aus dem Ruhrgebiet Mitte Januar nach Berlin reist, um mit der Bundesregierung über einen Altschuldenfonds zu reden. Bund, Länder und die lokale Ebene sollen – über einen Zeitraum von 30 Jahren – die Schulden tilgen, die sich allein im Ruhrgebiet auf knapp 15 Milliarden Euro summieren. Damit bündelt sich mittlerweile ein Drittel aller in Deutschland aufgelaufenen kommunalen Liquiditätskredite auf die Metropole Ruhr.

Liquiditätskredite abbauen

Immerhin: Zum ersten Mal überhaupt sahen sich die Ruhrgebietskommunen 2017 in der Lage, Liquiditätskredite abzubauen – und zwar um 3,6 Prozent. Die Städte des Kreises liegen mit 5,8 Prozent besser als der Revierdurchschnitt. Die zehn Kommunen reduzierten ihren Schuldenstand um 100 Millionen Euro, müssen aber nach wie vor 1,64 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten schultern. Wenn es den Städten gelingen würde, jedes Jahr 75 Euro je Einwohner in die Tilgung zu stecken, würde es nach Berechnungen Junkernheinrichs 51 Jahre dauern, bis die Schulden abbezahlt sind.

Schuldenlast und hohe Sozialausgaben

Josef Hovenjürgen (CDU) meint:
Josef Hovenjürgen (CDU) meint: © Oliver Mengedoht

Die Schuldenlast und die hohen Sozialausgaben sorgen im Ruhrgebiet dafür, dass nur wenig Geld für Investitionen übrig bleibt. Während im Kreis Recklinghausen 100 Euro je Einwohner in die Infrastruktur gesteckt werden, sind es landesweit 150 Euro und in ganz Deutschland sogar 273 Euro. Verbandsversammlungsvorsitzender Josef Hovenjürgen bringt es auf den Punkt: Das Ruhrgebiet habe auf der einen Seite die höchsten kommunalen Steuersätze, biete seinen Bürgern und Unternehmen auf der anderen Seite aber keinen angemessenen Gegenwert.

Fünffaches Dilemma des Ruhrgebietes

Ein Blick auf die westdeutschen Bundesländer zeigt, wo die Probleme des Ruhrgebiets liegen. Die Gewerbesteuer liegt hier um 26,9 Prozent unter dem Durchschnitt der Vergleichsländer. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer beträgt das Minus 17,4 Prozent.

Viermal so hohe Schulden

Zweitens liegen die hohen Sozialabgaben um 41,4 Prozent über dem Durchschnitt. Zudem werden 53,9 Prozent weniger Finanzmittel in den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur gesteckt. Viertens: Die Grundsteuer-Belastung für Haushalte und Betriebe liegt um 51,1 Prozent über dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer. Fünftens: Die Kommunen im Ruhrgebiet haben fast viereinhalb Mal so hohe Schulden (+ 433,7 Prozent) wie der Durchschnitt anderer Regionen in Westdeutschland.