Gladbeck. . Veranstaltung am 9. November vor dem Gebäude Horster Straße 54. Es bekommt den Namen „Ida und Max Kaufmann-Haus“. Enkelin Chaja ist dabei.
Diese Gedenkveranstaltung für die Opfer von Krieg und Faschismus wird eine ganz besondere: Zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht, in der auch in dieser Stadt der Nazi-Terror jüdische Mitbürger mit aller Wucht traf, lädt der Rat der Stadt an einen stadtgeschichtlich bedeutsamen Ort ein – zum Haus Horster Straße 54 .
Dort wohnten seit 1924 Max und Ida Kaufmann mit ihrer großen Familie. Einen Betsaal für die kleine jüdische Gemeinde in Gladbeck hatten sie dort eingerichtet. „Es war ein friedliches Leben, bis die Nazis in jener Nacht alle Zukunftspläne abrupt beendeten“, weiß Chaja Kaufmann, Enkelin von Max und Ida, aus ihrer Familiengeschichte. Als sie als Sechsjährige mit ihrem Vater zum ersten Mal vor diesem Haus stand, wusste sie davon nichts. „Und ich habe nicht geahnt, warum mein Vater weint.“ Ihre Großeltern Max und Ida Kaufmann wurden verhaftet, nach Holland abgeschoben und starben später im Konzentrationslager.
Redner erinnern an die Reichspogromnacht
Die Gedenkfeier am 9. November beginnt um 15.30 Uhr.
Zur Erinnerung an die Po-gromnacht vor 80 Jahren sprechen Bürgermeister Ulrich Roland, Awo-Vorsitzender Christian Bugzel, Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Chaja Kaufmann und Prof. Dr. Frank Bajohr. Der gebürtige Gladbecker ist wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München.
Die Nazis beschlagnahmten das Haus, machten es zur NSDAP-Zentrale, missbrauchten den Betsaal als NS-Schulungsraum.
Heute betreut die Awo in dem Haus psychisch kranke Menschen
Heute wohnen im Haus Horster Straße 54 psychisch kranke Menschen. Die Arbeiterwohlfahrt hat dort vor einigen Jahren zunächst Wohnungen für ambulant betreutes Wohnen gemietet, das Gebäude 2014 gekauft. „Die Geschichte des Hauses kannten wir nicht“, sagt Harry Junghans Geschäftsführer des Awo-Unterbezirks Münsterland-Recklinghausen. Der ehemalige Stadthistoriker und heutige Erste Beigeordnete Rainer Weichelt wies die Awo-Verantwortlichen auf die stadthistorische Bedeutung des Gebäudes hin, und sie waren sofort mit im Boot, als die Idee geboren wurde, dem Gebäude den Namen „Ida und Max Kaufmann-Haus“ zu geben. Auch Chaja Kaufmann stimmte zu und wünscht sich, dass „dieses Haus ein Symbol wird für Reflektion, Respekt und Hoffnung“.
Stadtarchivarin Katrin Bürgel hat die Geschichte der Familie recherchiert
Bei der Gedenkveranstaltung am 9. November wird eine Schrifttafel enthüllt. In deutscher und hebräischer Sprache wird darauf die Geschichte des Hauses und der Familie Kaufmann erzählt – bzw. angerissen, denn Stadtarchivarin Katrin Bürgel hat bei intensiven Recherchen so viel über die Familie herausgefunden, dass die Tafel längst nicht ausreicht. Ein QR-Code führt zu einer Internetseite mit den Lebensgeschichten von Ida und Max Kaufmann und ihren acht Kindern.
Dass dort auch Fotos zu finden sind, verdankt Bürgel dem Besuch einer anderen Enkelin der Kaufmanns im Stadtarchiv. „Betty Henner hatte zufällig ein Fotoalbum bei sich.“ Und Katrin Bürgel hatte Kontakt zu Chaja Kaufmann, die in den Niederlanden wohnt – die Cousinen trafen sich zum ersten Mal in ihrem Leben.
Beide werden auch bei dieser besonderen Gedenkfeier am 9. November dabei sein, die Bürgermeister Ulrich Roland angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen für „besonders wichtig und bedeutsam“ hält.