Gladbeck. . Polit-Talk unter freiem Himmel zur Problematik fehlender und bezahlbarer Wohnungen. Propst Müller: Gutes Wohnen ist ein Menschenrecht.
Wer Samstagmittag auf der Horster Straße in der Innenstadt unterwegs war, mag sich wohl gewundert haben, stand doch auf dem Kirchplatz vor der Lamberti-Kirche plötzlich ein komplettes Wohnzimmer – und ein gut besuchtes dazu. Des Rätsels Lösung: Im Rahmen der Kampagne zum Caritas Jahresthema „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ hatte das Bistum Essen Gladbeck ausgewählt. Mit der Aktion „Ein Zimmer auf der Straße“ wollte der Caritasverband auf die Wohnungsnot im Ruhrgebiet und die Situation wohnungsloser Menschen aufmerksam machen. „In Deutschland fehlen eine Million Wohnungen. Mieten steigen stark, Menschen finden keine neue Wohnung, die sie sich leisten können. Sie verlieren ihr soziales Umfeld und ihr Zuhause. Am Ende sitzen sie vielleicht auf der Straße“, heißt es beim Caritasverband.
Aktuell gibt es in Gladbeck 165 Wohnungslose - nur einer ist ohne Obdach
Ein „Polit-Talk“ unter freiem Himmel sollte das Thema von allen Seiten beleuchten. So hatten denn auch mit Sozialdezernent Rainer Weichelt, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Gladbecker Wohnungsgesellschaft (GWG), Martin Plischek, der Diözesan-Caritasdirektorin Sabine Depew, dem Caritasdirektor Propst André Müller und der Leiterin der Gladbecker Caritas-Wohnungslosenhilfe, Annette Frerick, Menschen auf dem Sofa Platz genommen, die tagtäglich mit dem Thema Obdachlosigkeit befasst sind.
In ihrer Antwort auf die erste Frage von Moderator Lennart Hemme, Radio Emscher-Lippe, konnte Annette Frerick zu Beginn deutlich machen, dass in Gladbeck die Situation relativ entspannt sei: „Aktuell haben wir 165 Wohnungslose gemeldet.“ Diese seien aber aufgrund gut funktionierender Netzwerke nicht ohne ein Dach über dem Kopf. „Es gibt eine Person in unserer Stadt, die wirklich ohne Wohnung ist.“ Die Situation sehe natürlich in den Ballungsräumen des Ruhrgebiets und in einer Stadt wie Essen ganz anders aus, schränkte die Expertin ein.
Wohnlösungen für unterschiedlich Einkommens- und Altersgruppen
Es herrschte Konsens unter den Gesprächspartnern, dass es dringend geboten sei, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die fünf Milliarden Euro, die der Wohngipfel im Kanzleramt in Aussicht gestellt habe, sei ein „Hoffnungsschimmer“, sagte Sabine Depew und plädierte für „integrierte Wohnkonzepte“, sogenannte „Campuslösungen“. Gemeint sind damit Wohnlösungen, die unterschiedliche Einkommens- wie auch Altersgruppen zusammenführen.
Ausstellung im Neuen Rathaus
Anlass für die Aktion in Gladbeck war der gestrige Caritas-Sonntag, an dem Gläubige zu Spenden aufgerufen waren.
Eine Ausstellung über Schicksale von Wohnungslosen ist aktuell im Foyer des Neuen Rathauses zu den Öffnungszeiten zu sehen. Sie wurde anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Caritas-Tagesstätte für Wohnungslose in Gladbeck im vergangenen Jahr erstellt.
Darauf stieg auch Rainer Weichelt ein: „Ich bemängele, dass wir viele Dinge nur noch unter dem Profitgesichtspunkt beurteilen“, sagte der Erste Beigeordnete und fügte hinzu, „auf den sozialen Mix“ komme es an: „Wohnen funktioniert, wenn das Umfeld stimmt.“ Dem stimmte Martin Plischek (GWG) zu. Ihm sei es als Vertreter einer kommunalen Einrichtung wichtig, „dass sich die Menschen wohlfühlen.“ Da zögen Unternehmen und Kommune an einem Strang. Das Leitmotiv der Veranstaltung setzte allerdings Propst Müller: „Gutes Wohnen für alle ist ein Menschenrecht“, betonte der Caritasdirektor und erntete beifällige Zustimmung vom Publikum.