gladbeck. . Seit 25 Jahren unterstützen Caritas-Mitarbeiter Betroffene etwa bei Jobcenter-Angelegenheiten. Arbeit an Altersarmut und verkorkstem Alltag.
Die Wohnungslosenhilfe der Caritas feiert in diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum. Die WAZ sprach mit deren Leiterin Annette Frerick, Beratungsstellen-Mitarbeiter Frank Bücher sowie Stefan Mühlenbeck, Abteilungsleiter Beratung und Teilhabe bei der Caritas, über ihre Arbeit, Altersarmut und verkorkste Alltage.
Welche Menschen kommen mit welcher Art von Problemen zu Ihnen?
Stefan Mühlenbeck: Das kann man nicht verallgemeinern. Viele von ihnen haben aber mit Drogen und Alkohol zu tun. Die Menschen kommen erst dann zu uns, wenn nichts mehr geht. Etwa dann, wenn sie in ihrer Persönlichkeit nicht gefestigt sind und nach Trennungen oder Jobverlust in ein tiefes Loch fallen.
Annette Frerick: Dazu gehören Menschen, die etwa Briefe nicht mehr öffnen, denen irgendwann eine Räumung droht und sie dann wohnungslos werden.
Wie können Sie ihnen helfen?
Mühlenbeck: Der Vorteil unserer Beratungsstelle ist, dass wir hier nicht Menschen mit einer spezifischen Problemlage helfen, sondern mit ganz vielen. Kein Schulabschluss, Drogen oder Schulden gehören dazu. Die können wir weiter in spezielle Einrichtungen vermitteln. Die Fäden laufen bei uns zusammen.
Frerick: Die Menschen bekommen bei Wohnungslosigkeit bei uns eine vorübergehende Postanschrift oder wir unterstützen sie bei Angelegenheiten mit dem Jobcenter. Wir haben gute Kontakte zur Gladbecker Wohnungsgesellschaft (GWG) und können so bei der Suche nach neuem Wohnraum unterstützen. Wir probieren also, den verkorksten Alltag wieder gerade zu biegen. Die Menschen haben auch bei alltäglichen Dingen Schwierigkeiten. Für diejenigen, die keine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben – etwa weil sie eine negative Schufa-Auskunft haben – vermieten wir von der Caritas auch übergangsweise Wohnungen unter.
Wieso ist das nötig?
Frank Bücher: Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist so eng, dass Vermieter sich ihre Mieter aussuchen können. Das sind nicht diejenigen, die verschuldet sind.
Mühlenbeck: Der soziale Wohnungsbau ist in Gladbeck, wie im gesamten nördlichen Ruhrgebiet, kaum vorangetrieben worden. Das ist ein riesiges Problem für uns.
Was hat sich in den 25 Jahren Ihrer Arbeit geändert?
Frerick: Unsere Klientel hat sich geändert. Früher waren dies Menschen, die zum großen Teil draußen übernachtet haben. Richtige Stadtstreicher mit dreckiger Kleidung. Die kamen zu uns, um die Tagessätze abzuholen. Seit der Hartz IV-Reform zahlen wir nicht mehr aus.
Mühlenbeck: Unsere Klientel ist zudem deutlich jünger geworden. Das liegt daran, dass es früher auch für einfacher strukturierte Menschen Arbeit gab. Diejenigen, die zu uns kommen, haben oft gar keinen Schulabschluss, daher bleiben sie häufig auf der Strecke.
Wie sehr bedrücken Sie die einzelnen Fälle?
Frerick: Den einen oder anderen Fall nimmt man natürlich mit nach Hause. Etwa den eines jungen Mädchens, das von ihrem Freund herausgeworfen worden war und fast das Weihnachtsfest hätte alleine verbringen müssen. Sonst kann ich mich aber gut abgrenzen. Ich mag die Vielschichtigkeit meiner Arbeit. Die Menschen bedanken sich bei uns und sehen unsere Arbeit nicht als selbstverständlich an. Ich möchte in keinem anderen Beruf arbeiten.
Wie fühlen sich die Betroffenen?
Mühlenbeck: Es dauert, bis die Menschen sich trauen, bei uns Hilfe zu suchen. Das Thema Wohnungslosigkeit ist noch immer schambesetzt. Uns ist aber wichtig, dass sie sich bei uns als Mensch behandelt fühlen und nicht als Bittsteller. Sie sollen merken, dass wir respektvoll mit ihnen umgehen.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und was haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen?
Frerick: Eine große Hürde für uns ist es, an Wohnraum zu kommen. Es wird eine zentrale Frage für uns sein, was sich da ändern lässt. Die Problemstellungen unserer Arbeit werden gleich bleiben. Nach wie vor wird es darum gehen, Menschen zu unterstützen, die ein Stück weit abgehängt sind – von beruflichen Chancen und der Möglichkeit, in besseren Vierteln zu leben.
Eine Sorge, die zunehmen wird, ist die der Altersarmut. Bislang haben wir nur ab und an einen solchen Fall. Die Zahl wird sich in Zukunft aber deutlich erhöhen.
>>>>> Gemeinsames Abendessen zum 25-jährigen Jubiläum
Anlässlich des Jubiläums hatte die Beratungsstelle ihre Klienten zu einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant eingeladen. „Das war etwas ganz Besonderes, denn sonst können die Menschen es sich nicht leisten, Essen zu gehen“, sagt Beratungsstellen-Leiterin Annette Frerick.
Einmal im Jahr verreisen die Mitarbeiter der Beratungsstelle auch mit den Betroffenen, entweder für ein paar Tage oder für einen Tagesausflug. In der Gelsenkirchener Zoom-Erlebniswelt, im Wunderland Kalkar oder auch in Holland waren sie bereits. „Als wir in Scheveningen waren, waren auch einige Menschen dabei, die noch nie in ihrem Leben das Meer gesehen hatten“, erinnert sich Frerick. In diesem Jahr war die Gruppe gemeinsam im niederländischen Winterswijk zum Zelten. „Wir sind gemeinsam mit dem Rad dorthin gefahren“, erzählt Frerick.
Wanderausstellung geplant
Zum Jubiläumsjahr hat die Caritas im Wohnungslosentreff eine Ausstellung organisiert. Darin werden 25 Lebensgeschichten von Betroffenen präsentiert. Nach und nach soll sie in den Räumen an der Humboldtstraße 4 aufgebaut werden und ist zu den Öffnungszeiten montags bis freitags von 8 bis 14 Uhr zu sehen. Im Anschluss – so die Überlegung bei der Caritas – könnte daraus eine Wanderausstellung werden, die an verschiedenen Orten in der Stadt präsentiert werden soll.