Gladbeck. . Seit 35 Jahren arbeitet Rüdiger Kümmel bei der Polizei. Er pflegt engen Kontakt zu den Bürgern, als Freund und Helfer – und als Ordnungshüter.

Der Streifenwagen bleibt niemals unbemerkt. Und der Mann, der nun langsam an der Horster Straße aus dem Kombi steigt, auch nicht. Was zum einen an der blauen Polizeiuniform liegt – und zum anderen daran, dass Rüdiger Kümmel deutlich über 1,90 Meter misst. Ohne Mütze.

Seit gut fünf Jahren ist der Polizeihauptkommissar als Bezirksbeamter in Gladbeck unterwegs, meist in der Stadtmitte, gern aber auch in Brauck. Denn dort liegen seine Wurzeln. „Eigentlich kenne ich Brauck von hinten bis vorne“, sagt er, er ist dort aufgewachsen und hat lange dort gelebt.

Kontaktfreude ist wichtig für Bezirksbeamte

Schon ist er im Gespräch mit einer Frau, die vor der Änderungsschneiderei an der Ecke Elisabethstraße mit Kollegen ein Zigarettenpäuschen macht. Der Hauseingang gegenüber ist von Schutt versperrt, der Rumpf eines Baumes ragt aus dem Geröll. „Das Haus steht bestimmt schon vier Jahre leer“, sagt Kümmel. „Mindestens“, sagt die Frau. Kein schönes Bild.

Serkan Sarica und Rüdiger Kümmel im Gespräch.
Serkan Sarica und Rüdiger Kümmel im Gespräch. © Thomas Gödde

Ein Stück weiter Richtung Kreisverkehr kommt Serkan Sarica aus dem türkischen Imbiss, um „Guten Tag“ zu sagen. „Der Laden ist immer ein Versorgungsposten für die Spätschicht gewesen“, so Kümmel.

Wenn das Wetter gut ist, sammeln sich Menschen zwischen Imbiss und dem benachbarten Büdchen, essen, trinken, erzählen sich etwas. Das gefällt nicht allen Nachbarn, manchmal rufen sie die Polizei an, die dann wegen Ruhestörung ausrücken muss.

Kulturelle Unterschiede in der Kommunikation

Routine. Als Kontaktbeamter für die Moscheegemeinde ist Rüdiger Kümmel vertraut mit den Eigenheiten der größten Gladbecker Zuwanderergruppe. Er weiß: Eine autoritäre Ansprache kommt nicht gut an. „Die türkischen Mitbürger reden ganz anders. Die haben eine beschreibende Sprache.“

Eine Unterhaltung mit simplem Inhalt wie Fußball kann da schon mal länger dauern und auch lauter werden. Für ihn bedeutet das, dass er Gespräche anders führen muss, sich langsam an den Kern herantasten, statt gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.

Hauptkommissar Kümmel fühlt sich wohl in diesem Umfeld, in dem Kulturen aufeinandertreffen, und das ganz physisch, denn der Teil der Horster Straße zwischen Autobahn und Kreisverkehr Roßheidestraße ist überaus belebt. „Die Horster Straße war schon immer mein zweites Wohnzimmer während meiner Dienstzeit – es ist auch die beste Verbindung zwischen Mitte und Süden“, sagt er.

Vier Wettbüros auf einem kleinen Teilstück

Die Entwicklungen an dieser Straße hat er über Jahrzehnte im Blick – Kümmel ist 56 Jahre alt und schon seit 1982 im Dienst der Landespolizei. Ein Trend bereitet ihm derzeit Sorge: Vier Wettbüros gibt es in diesem Abschnitt, der in einem Teil der Stadt liegt, in dem viele Menschen mehr schlecht als recht über die Runden kommen. Serkan vom Dönerladen beteuert: „Die Leute hier spielen nur so einen Euro, zwei Euro pro Schein.“ Wie viele Scheine? Schulterzucken. „Das ist halt eine Sucht.“

Schon häufig haben Bürger wegen Autorennen die Polizei alarmiert. Doch noch nie haben die Beamten jemanden in flagranti erwischt. „Natürlich gibt es auch Spinner, die hier 100 oder 120 fahren. Viele fahren aber einfach hochmotorisierte Autos, die viel Lärm machen“, sagt Kümmel.

Wiedersehensfreude:;Gültem Karabolut lädt Rüdiger Kümmel gleich zum Essen ein.
Wiedersehensfreude:;Gültem Karabolut lädt Rüdiger Kümmel gleich zum Essen ein. © Thomas Gödde

Viele Geschäfte stehen leer, die Gehsteige könnten sauberer sein. „Ein sozialer Brennpunkt ist dieser Abschnitt hier nicht – eher ein sozialer Mittelpunkt“, sagt Kümmel und weist einen Radfahrer freundlich an, auf die richtige Straßenseite zu wecheln.

„Ich habe den Bonus, dass ich hier viele Leute kenne.“ Wobei nicht alle so euphorisch reagieren wie Gültem Karabolut. „Mein Engel, ich habe dich so vermisst“, ruft sie, als sie aus einer Bäckerei auf die Straße stürmt, um den Polizisten zu herzen. „Man ist echt der Schutzmann an der Ecke“, sagt Kümmel. Die Rolle ist ihm auf den Leib geschneidert. Wie die blaue Uniform.