Gladbeck. . In Japan hat sich der Gladbecker einen Namen als Manga-Zeichner gemacht. Doch es gab gute Gründe, wieder zurück in die alte Heimat zu ziehen.

„Japan ist mein Lebensmittelpunkt.“ Das sagte David Remmel, als er 2011 beschloss, trotz der Atom-Katastrophe von Fukushima in seiner Wahlheimat zu bleiben. Jetzt hat er sich anders entschieden: Der 31-Jährige, der zwölf Jahre in Tokio lebte, ist nach Gladbeck zurückgekehrt.

„Damals wollte ich einfach nicht alles aufgeben, was ich mir aufgebaut hatte“, erinnert er sich. In Japan hatte er sich gerade einen Namen als Manga-Zeichner gemacht, Preise gewonnen, feste Aufträge, ein gutes Einkommen und viele Freunde.

„Manchmal war ich regelrecht depressiv“

Die Naturkatastrophe und ihre schrecklichen Folgen hätten ihn zwar von Anfang an beschäftigt, aber „je mehr Zeit verging, desto intensiver habe ich darüber nachgedacht. Manchmal war ich regelrecht depressiv.“

„Work, Love, Balance“ heißt die Comic-Serie, an der David Remmel aktuell arbeitet. Veröffentlich wird die Romanze auf einer japanischen App.
„Work, Love, Balance“ heißt die Comic-Serie, an der David Remmel aktuell arbeitet. Veröffentlich wird die Romanze auf einer japanischen App. © DR

Mit den Jahren wuchs auch seine Sehnsucht nach der Familie im fernen Gladbeck, die er nur selten besuchen konnte. „Als meine Großeltern gestorben sind, ist mir so richtig bewusst geworden, wie vergänglich alles ist.“

Das Leben in der japanischen Hauptstadt war ihm auch zu stressig geworden. Ein Umzug stand deshalb ohnehin auf Davids Agenda. Eigentlich hatte er die Südseeinsel Okinawa, die Heimat seines Lebenspartners Ryoma Fusato, ins Auge gefasst. Der aber wollte nach vier Jahren in Tokio auf keinen Fall zurück auf die zwar wunderschöne, aber aus seiner Sicht langweilige Insel, auf der er 27 Jahre seines Lebens verbracht hatte.

David arbeitet vor allem für die japanische App Comico

David Remmel: „Aus all diesen Gründen haben wir uns schließlich entschlossen, nach Deutschland zu gehen, zumal ich im digitalen Zeitalter genauso gut von hier aus für meine japanischen Auftraggeber arbeiten kann.“

Die Serie „Red Poison“
Die Serie „Red Poison“ © DR

Jahrelang hat David seine Comic-Serien für Zeitschriften produziert. Jetzt arbeitet er vor allem für die japanische App „Comico“. „Das ist in Japan ganz groß im Kommen.“

Vor einem Monat sind David und Ryoma – samt Zwergpinscher Lui Alfons und zwei Frettchen – in Gladbeck eingetroffen. Alles Andere, was ihnen wichtig ist, folgt, in 14 Kisten verpackt, auf dem Seeweg. Vorerst haben sie zwei Zimmer in der Wohnung von Davids Mutter bezogen. Anna Remmel ist glücklich, dass der Sohn wieder da ist: „Ich habe mir ständig Sorgen um ihn gemacht, jeden Morgen erst mal Nachrichten gehört, ob in Japan wieder irgendetwas passiert ist.“

In der Wohnung kleben ganz viele Zettel

In ihrer Wohnung kleben jetzt an allen möglichen Stellen kleine Zettel mit den deutschen Bezeichnungen für die Gegenstände: Kühlschrank, Schublade, Bett, Herd, Handtuch, Schrank, Dusche . . .

Mit David und Ryoma sind auch Hund Lui und zwei Frettchen nach Gladbeck gezogen.
Mit David und Ryoma sind auch Hund Lui und zwei Frettchen nach Gladbeck gezogen. © Lutz von Staegmann

Der 31-jährige Japaner will so schnell wie möglich Deutsch lernen. An der VHS ist erst im Oktober ein Platz im Deutschkurs für ihn frei. In der Zwischenzeit unterrichtet ihn David, ein paar Brocken Deutsch hat er ihm schon beigebracht.

Ryoma Fusato (31) will möglichst bald arbeiten, nicht abhängig sein von seinem Partner. In Japan hat er alles mögliche gemacht: bei der Stadtverwaltung gearbeitet („Büroarbeit ist aber nichts für mich, ich packe lieber an.“), als Gerüstbauer, als Vertreter, als Baggerfahrer . . . Auch in seiner neuen Heimat soll es am besten etwas „Handfestes“ werden.

Lebensgefährte Ryoma will so schnell wie möglich Deutsch lernen

Aktuell steht aber eine andere Zukunftsplanung im Mittelpunkt: David und Ryoma, seit vier Jahren ein Paar, wollen heiraten. Beim Standesamt waren sie schon, warten jetzt auf die Übersetzungen von Ryomas Papieren. „In Japan dürfen gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten“, sagt David. „Das war uns bisher auch überhaupt nicht wichtig.“ Jetzt ist das anders, denn die eingetragene Lebensgemeinschaft sichert Ryoma das Aufenthaltsrecht in Deutschland.

An manche Sachen hier muss sich der Japaner gewöhnen: zu viel Brot, zu wenig Reis, achtlos weggeworfene Abfälle, Rechtsverkehr, natürlich die Sprache . . . Die Menschen hier empfindet er als angenehm offen. Die Familie und die Freunde in Japan vermissen er und David trotzdem.

Von der Familie in Japan haben sie sich mit einer Riesen-Party verabschiedet

Sie haben sich mit einer Riesen-Party von ihnen verabschiedet, und alle haben ihnen versprochen, sie in Deutschland zu besuchen. „Der erste kommt schon im August“, freuen sie sich. Und viele andere folgen, wenn David und Ryoma ihre Hochzeit feiern.