Gladbeck. . Die Ruhrtriennale bringt „Die Franzosen“ nach Texten von Marcel Proust in die Gladbecker Halle Zweckel – auf Polnisch.

Eine Dame mit Affenmaske lamentiert über den Schmerz, der den Körper zu einem fremden Ort macht, stellt die Notwendigkeit eines wahren, eindeutigen Geschlechts infrage, ruft das Konzil der Liebe aus und kündigt, nachdem sie in das lautmalerische Gebrüll freilebender Bonobo-Affen verfallen ist, den „größten Komponisten der Zukunft“ an. Was folgt, ist ein gefühlt 15 Minuten langes Konzert für Cello und Tape vor idyllischen Landschaftsprojektionen.

Unglückliche Übertitelung

Die Affenfrau ist die kunstversessene Sidonie Verdurin, die in ihrem Salon dem jungen Musiker Morel zu einem Debüt-Auftritt verhilft. Beide gehören zur Personnage eines großen, knapp fünf Stunden (mit zwei Pausen) währenden Missverständnisses, das die Ruhrtriennale in der Maschinenhalle Zweckel unter dem Titel „Die Franzosen“ als Uraufführung präsentiert.

Um Marcel Proust geht es und um dessen zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Der polnische Regisseur und Co-Dramaturg Krzysztof Warlikowski hat mit dem Warschauer Nowy Teatr den ambitionierten Versuch unternommen, entlang dieses monumentalen Werkes über den gesellschaftlichen Umbruch im Frankreich des Fin de Siècle Aussagen zu treffen über das Befinden des heutigen Europa.

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Doch hier ist Triennale-Intendant Johan Simons einer grundlegenden Fehleinschätzung erlegen. Der Zuschauer auf den Tribünenrängen ist, was voraussehbar war, hoffnungslos überfordert; er versteht, sofern er nicht des Polnischen mächtig ist, kein Wort. Zumal auch die gängigen und normalerweise hilfreichen Übertitelungen (Deutsch, Englisch) in der Maschinenhalle ausgesprochen kontraproduktiv sind. Die Schrifttafeln hängen so unglücklich hoch, dass der Zuschauer die Wahl zwischen zwei Übeln hat: Liest er die Einblendungen, verliert er die Bühne völlig aus den Augen; verfolgt er dagegen das Geschehen auf der unten gelegenen freien Spielfläche, auf die immer wieder ein transparenter Salonwagen rollt, dann sind die Tafeln außer Sichtweite und er versteht – um in Prousts Reise-Motivbild zu bleiben – nur noch Bahnhof.

Leider hilft auch Krzysztof Warlikowski dem Zuschauer wenig durch den komplexen Stoff. Personen werden nicht eingeführt, auch nicht durch Sprache kenntlich gemacht. Zudem sprechen alle Schauspieler über Kopfmikro und Lautsprecher; wer gerade etwas sagt, ist über die Entfernung und in der Tiefe des Raumes oft kaum auszumachen. Selbst wer Prousts siebenbändigen Mammutroman gelesen hat und mit den wichtigsten Protagonisten vertraut ist, hat Schwierigkeiten mit der Zuordnung.

Alfred Dreyfus und Charles Swann

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Eine empfundene Ewigkeit vergeht, bis erstmals eine Figur klar kenntlich wird: der jüdische Offizier Alfred Dreyfus. Damit ist eines der großen Themen (gelebter oder latenter Antisemitismus) angesprochen. Und irgendwann hat der Zuschauer auch, eher deduktiv, den filmbekannten Charles Swann und seine Liebe Odette de Crecy ausgemacht. Wenn der nunmehr alte Swann im dritten Teil des Abends feststellt, er ziehe das imaginierte Leben dem erinnerten vor, dann kommt endlich auch eines der Hauptmotive Prousts zu seinem Recht.

Dass der starke polnischsprachige Teil des Premierenpublikums immer wieder in Gelächter ausbrach, ein rascher Blick auf die Texteinblendungen aber keinen Aufschluss über die Ursache gab, war irritierend. Etwas steckt offenbar in dieser modernen Proust-Adaption, das sich dem Verständnis des Sprachunkundigen entzieht.

Schauspiel "Die Franzosen"

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