Gladbeck. . „Allahu Akbar“ erklingt tägich vom Minarett einer Moschee in Gladbeck. Der Stadtrat begrüßt das, aber Anwohner fühlen sich übergangen.
19 lange Jahre war es still rund um die Ditib-Moschee im Gladbecker Stadtteil Butendorf. Bis dahin galt das, was man heute gern als Gentlemen's-Agreement zwischen Stadt und moslemischer Gemeinde bezeichnet: Moschee ja, Muezzin nein! Doch nun wird per Lautsprecher vom Minarett zum Gebet gerufen, einmal am Tag, um die Mittagszeit: „Allahu Akbar“ – „Allah ist der Allergrößte“. Rundherum, in Butendorf, gibt es einige, die das alles andere als großartig finden.
Butendorf, im Süden Gladbecks gelegen, hat fürwahr bessere Zeiten gesehen. Die Zeiten des Bergbaus, als es Zeche Graf Moltke noch gab. Aber der Stadtteil hat auch die schlechten Zeiten längst hinter sich gelassen, in denen es als Stigma galt, in mancher seiner Straßen zu wohnen. Es ist investiert, neu gebaut worden. Und so war man sich in der Stadtverwaltung vor ein paar Monaten durchaus bewusst, welch brisanten Wunsch die Butendorfer Moscheegemeinde an sie herantrug. „Wir haben uns sachkundig gemacht und befunden, dass die Gemeinde nur ihr Grundrecht wahrnimmt“, erklärt Sozialdezernent Rainer Weichelt.
Der Ruf ist Stadtthema
Man sprach miteinander, verhandelte und überzeugte schließlich die Gemeinde, nicht fünfmal an sieben Tagen der Woche den Gebetsruf ertönen zu lassen, sondern lediglich einmal an fünf Tagen. Um dem Ansinnen der Muslime Rückendeckung zu geben, begrüßte der Rat der Stadt in seiner letzten Sitzung vor Ostern ausdrücklich den Muezzin-Ruf. Einzig die CDU murrte, der Aufruf zum Freitagsgebet müsse doch eigentlich reichen.
Die Reaktionen folgten prompt: Abgesehen von „hundert hässlichen E-Mails aus der rechtsradikalen Szene“, so Weichelt, ist der Muezzin-Ruf inzwischen Stadtthema. „Wir sind irritiert, fühlen uns übergangen“, sagt Werner Bugzel, Sprecher des Evangelischen Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten. Man hätte sich ein Gespräch mit der muslimischen Gemeinde und der Stadtverwaltung gewünscht. „Stattdessen haben wir davon aus der Presse erfahren“, erzählt Bugzel.
19 Moscheen rufen zum Gebet
Auch die katholische Nachbargemeinde ist vom Verfahren „enttäuscht“. Um die Wogen nicht noch höher schlagen zu lassen, bemüht sich Christa Schniering, die Beauftragte für den christlich-islamischen Dialog der St. Lamberti-Gemeinde, um verbindliche Worte. „Wir werden jetzt erst einmal abwarten, wie es sich auf Dauer anhört, wenn es bei den vorgeschriebenen fünfundfünfzig Dezibel bleibt“, sagt Schniering. Die Emotionen müssten „runtergefahren werden“.
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Moscheen tatsächlich gibt es viele in Deutschland, Muezzin-Rufe dagegen nur selten. „Wir wissen exakt von neunzehn Moscheen, die zum Gebet rufen. Geschätzt werden es dreißig bis fünfunddreißig sein“, sagt Bekir Alboga, der Geschäftsführer der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib) in Köln. Bei den meisten Moscheen sei es üblich gewesen, beim Antrag auf die Baugenehmigung ausdrücklich auf den Gebetsruf zu verzichten. Viele Gemeinden hätten sich auf diesen Kompromiss eingelassen. „Dort, wo es den Ruf gibt, haben wir bisher allerdings auch keine Beschwerden gehört“, so der Islamwissenschaftler Alboga.
Kritik am Kommunikationsstil
Kölns mitten in der Stadt gelegene neue Moschee unterlässt es, zum Gebet zu rufen, die große Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh ebenso. „Es gibt das Bedürfnis danach auch gar nicht“, erklärt deren Sprecher Sinan Celik, „in der Woche arbeiten die meisten Leute und haben keine Zeit zu beten. Ich wohne zehn Kilometer entfernt. Wie laut sollte der Ruf also sein?“
An der Wielandstraße in Gladbeck jedenfalls erschallte am Freitag überraschend zum ersten Mal der Muezzinruf. Früher als geplant, früher als angekündigt. Auch das sorgt in Gladbeck für Irritation, für Kritik am Kommunikationsstil der Gemeinde. Die Gladbecker CDU äußerte bereits Verständnis für die „Überfremdungsängste“.
55 Dezibel, das sei nicht der Rede wert
Im Moschee-Verein ist man dennoch überzeugt, dass „die Polemik bald aufhören“ wird. Eine Lautstärke von 55 Dezibel, das sei nicht der Rede wert. „Das hört man nicht weit. Es ist eher ein symbolischer Akt, der den Gemeindemitgliedern jedoch viel bedeutet. Die Gemeinde ist sehr glücklich. Wir sind guter Hoffnung“, sagt auch Figen Güdül-Turpcu, die stellvertretende Moschee-Vereinsvorsitzende. Allerdings sei man traurig, dass die Menschen so viel Angst vor dem Ruf hätten, bekennt Güdül-Turpcu.
So aufgeladen sind die Emotionen, dass selbst kleine Ereignisse genügen, sie zu befeuern. Ausgerechnet am Karfreitag hatte ein Paar in der Moschee geheiratet und das mit viel Gehupe, Pistolenschüssen und einem Autokorso gefeiert. Christliche Nachbarn sahen sich belästigt, auf „ihren Gefühlen sei herumgetrampelt worden“. Auch das sprach sich schnell rum.