Gladbeck. . Mit zwei Aufführungen gastiert die Ruhrtriennale in der Maschinenhalle Zweckel. Polnischer Meister-Regisseur bringt “Die Franzosen“ auf die Bühne.

Er ist ein Suchender, ein Theatermacher, der künstlerisch gerne jeden Winkel ausleuchtet: Mit der Produktion „Die Franzosen“, die im Rahmen der Ruhrtriennale als Premiere in der Maschinenhalle Zweckel gezeigt wird, begibt sich der gefeierte polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski auf eine weitere Expedition, um die Wurzeln der heutigen europäischen Gesinnung und Wesensart zu finden.

Der 1962 in Stettin geborene Meisterregisseur Warlikowski brauchte lange, bis er zur Bühne fand. Bevor er Regisseur wurde, studierte er in Krakau Geschichte, Philosophie und Theaterwissenschaften. „Ich war über 30, als ich begann, Theater zu machen“, sagte er der „Zeit“. Und weiter: „Damals war Theater für mich eine Quelle des Wissens. Es war vor allem eine Forschungsarbeit.“

Warlikowski, der zu den einflussreichsten Regisseuren Polens gehört, arbeitete mit europäischen Regie-Ikonen zusammen wie Peter Brook, Ingmar Bergman, Giorgio Strehler oder Krystian Lupa, dessen Meisterschüler er wurde. Seine Inszenierungen waren und sind auf den wichtigsten europäischen Festivals zu sehen.

Archaische Wut und heutiges Grauen

Knapp 40-jährig, begeisterten seine Stücke die Kritiker. Sie zogen den Hut vor seinem politischen Theater voller Sinnlichkeit und Erkenntnis. Renate Klett in der Wochenzeitung „Zeit“: „Niemand kann archaische Wucht und heutiges Grauen so subkutan brodeln lassen wie Warlikowski.“ Er selbst lässt sich von Klett im Dezemberheft 2014 von „Theater der Zeit“ so zitieren: „Das Theater ist eine Insel in einem Meer von Angst. Früher gab es Altäre, auf denen Tiere und manchmal auch Menschen geschlachtet wurden gegen die Angst. Heute haben wir das Theater, um die Angst auszusprechen und gemeinsam zu überwinden.“

Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ adaptiert

Für die Gladbecker Inszenierung „Die Franzosen“ ist Marcel Prousts Großroman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ der Ausgangspunkt. Beschrieben wird eine Gesellschaft im Umbruch zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. Diese Gesellschaft ist durch den Zusammenbruch der alten Hierarchien im Innersten aufgerüttelt, wird durcheinandergeworfen durch Antisemitismus und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Vision von der parallelen Existenz verschiedener Zeiten

Warlikowski beschwört das Werk von Proust erneut hervor, indem er frei auf die Idee des französischen Philosophen Gilles Deleuze setzt, dass „die einzigen Toten, die wiederkehren, jene sind, die man zu schnell und zu tief begraben hat“. So reflektiert der Regisseur den Zustand des heutigen Europas, anhand des Beispiels der Franzosen von vor 100 Jahren. Das wiederum geschieht auf der Bühne durch das Schaffen gleichzeitiger Situationen, hatte doch Proust die Vision von der parallelen Existenz verschiedener Zeiten, bemühte sich stets, die Komplexität von Zeit zu beschreiben.

Geboten wird dem Publikum in der Maschinenhalle nun ein Theaterprojekt mit Schauspiel, Video, Tanz und Livemusik, das keinesfalls eine klassische Bearbeitung des Romans ist. Vielmehr können die Besucher „im Theater in nicht-linearer Zeit versinken und Prousts radikales Bild mit all seiner sozialen und auch spirituellen Energie neu entstehen lassen“. (Ruhrtriennale).

ChorWerk Ruhr und BoSys: Sieben Klangräume für Mozarts Requiem 

Das Vokalensemble Chorwerk Ruhr produziert für die Ruhrtriennale zusammen mit den Bochumer Symphonikern (BoSys) das „Mozart Requiem/Sieben Klangräume“. Die musikalische Leitung hat Florian Helgath. Wie „Die Franzosen“ wird das Stück in der Maschinenhalle Zweckel aufgeführt.

Bis in die jüngere Vergangenheit sind einige Versuche unternommen worden, das Requiem besser als Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayer fertig zu komponieren. Denn Mozarts eigene Arbeit an dieser Totenmesse – in unserem Bewusstsein als einzigartiges Ausnahmewerk verankert – ist Fragment geblieben. Der zeitgenössische Komponist Georg Friedrich Haas ging 2005 einen anderen Weg. Er komponierte im Auftrag der „Internationalen Stiftung Mozarteum“ sieben „Klangräume“ für dieselbe Instrumentalbesetzung, die auch das Requiem fordert.

Fragmentarisch hinterlassene Sätze der Totenmesse

In die bewegten Klangflächen hinein deklamiert bei Haas der Chor hin und wieder Auszüge aus einem Brief der Stadt Wien, der Mozart kurz vor seinem Tod in gezwirbeltem Amtsdeutsch als Anwärter auf das Domkapellmeisteramt ab St. Stephan bestätigt. Komponist Haas legte zudem fest, dass seine Klangräume im Wechsel mit den von Mozart fragmentarisch hinterlassenen Sätzen der Totenmesse gespielt werden sollen. Dafür haben wiederum alle von Süßmayr komponierten Stimmen und Sätze zu entfallen. Diese radikale, aber höchst aufregende Lösung wird das Requiem in ein völlig neues Licht stellen.

Besetzung an den Aufführungstagen in der Maschinenhalle: Sibylla Rubens (Sopran), Ingeborg Danz (Alt), Dominik Wortig (Tenor), Tareq Nazmi (Bass), Günter Holzhausen (Violone), Christoph Anselm Noll (Orgel), ChorWerk Ruhr, Bochumer Symphoniker.

Tickets gibt’s ab sofort im Vorverkauf 

„Die Franzosen“ wird gezeigt am 21., 23., 28., 29. und 30. August, jeweils um 18 Uhr. Zuschauer sollten Zeit mitbringen, das Stück dauert rund fünf Stunden (eine Pause). Es wird in polnischer Sprache gespielt (mit deutschen und englischen Übertiteln; 20 bis 40 Euro; ab 16 Jahren).

Das „Mozart Requiem/Sieben Klangräume“ wird am 4. und 5. September jeweils um 20 Uhr aufgeführt (Dauer: 1.45 Stunden; 20 bis 55 Euro).

Tickets gibt es ab sofort im Vorverkauf (15 Prozent Rabatt bis zum 3. Mai) unter der Rufnummer 0221/28 02 10 oder www.ruhrtriennale.de oder in der Mathias-Jakobs-Stadthalle, Friedrichstraße 53, 99 26 80.