Gelsenkirchen. Die AfD hat beide Kirchen in Gelsenkirchen angezeigt, weil bei einer Veranstaltung mit Alice Weidel die Glocken läuteten. So reagiert der Propst.

Weil die Glocken der Evangelischen Emmaus Kirche und der Katholischen St. Augustinus-Kirche in der Gelsenkirchener Innenstadt während einer Wahlkampfveranstaltung der AfD übermäßig lange geläutet hätten, hatte die rechte Partei beide Kirchengemeinden unmittelbar vor Ostern angezeigt (die WAZ berichtete).

Denn nach ihrer eigenen Auffassung wurde die AfD durch das Glockengeläut der Kirchen in ihrem Versammlungsrecht erheblich eingeschränkt und gestört. Die 150 AfD-Anhänger auf dem Heinrich-König-Platz hätten lange Zeit statt der Reden der Amtsträger aus den eigenen Reihen – darunter auch Bundesfraktionschefin Alice Weidel – nur die Kirchenglocken hören müssen, so die AfD. Ratsherr Thorsten Pfeil, der die Versammlung am 9. April angemeldet hatte, erstattete daraufhin Anzeige und bezog sich dabei auf Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes, in dem heißt es: „Wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

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Die Gelsenkirchener Polizei bestätigte den Eingang der Anzeige und erklärte, dass diese zur weiteren Überprüfung an die Staatsanwaltschaft Essen geleitet wurde. Dort, so erklärte eine Sprecherin am Dienstag auf WAZ-Nachfrage, sei die Anzeige allerdings noch nicht anhängig, was möglicherweise mit den Osterfeiertagen zu erklären sei, so die Behörden. So lange das so ist, könne die Staatsanwaltschaft auch nichts zum Vorwurf der Störung der Versammlungsfreiheit sagen.

Gelsenkirchener Propst Markus Pottbäcker: „Das sollten doch gerade die selbst ernannten Retter des Abendlandes wissen“

Ein anderer hingegen kann das sehr wohl und tut es im Gespräch mit dieser Redaktion auch. Propst Markus Pottbäcker, unter anderem verantwortlich für die Katholische St. Augustinus-Kirche in der Altstadt, ist entsetzt angesichts der „hasserfüllten“ und „falschen“ Vorwürfe seitens der AfD. „Wir haben uns streng an die Vorgaben der Bischofskonferenz gehalten, die seit Ende Februar vorgeben, dass jeden Samstag fünf Minuten lang zum Friedensgebet gerufen wird. Dass darüber hinaus bereits seit dem 13. Jahrhundert jeden Tag um 12 Uhr die Glocken läuten, um an die Geburt Jesus Christus zu erinnern, sollten doch gerade die selbst ernannten Retter des Abendlandes wissen“, sagt Propst Pottbäcker.

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Von einem Protestgeläut könne also keine Rede sein. Überdies habe die AfD ihren Kundgebungsort zwischen zwei großen Kirchen, die nur wenige Meter voneinander entfernt stehen und in denen nun mal auch Hochzeiten oder Taufen stattfinden, zu denen die Glocken auch geläutet werden, selber ausgesucht.

AfD Gelsenkirchen: „Einmal mehr das Symbol des christlichen Abendlandes, die Glocken, missbraucht“

AfD-Bundestagsabgeordneter Jörg Schneider hatte zuvor erklärt, er sei „erschüttert“ darüber, dass die Kirchen „einmal mehr das Symbol des christlichen Abendlandes, die Glocken, missbrauchen“ würden. Schneider warf den Kirchen außerdem vor, sich „mit Linksextremisten gemeingemacht“ zu haben, und forderte deshalb gar die Abschaffung der Kirchensteuer.

Noch schärfer attackierte die Gelsenkirchener Direktkandidatin für die Landtagswahl, Enxhi Seli-Zacharias, die Kirchen und beschimpfte diese als „politisierte und gottlose ehemalige Institutionen“, die den „Kulturumbruch in unserem Land beschleunigten“, weil sie außer ihren „innerinstitutionellen Schandtaten“ der Gesellschaft rein gar nichts anzubieten hätten.