Gelsenkirchen. Unter Tränen hörte Schalkes Ex-Präsident zu, wie Autorin Katharina Strohmeyer aus dem Buch vorlas. Der körperlichen Angriff von Fans vor dem UEFA-Cup-Finale 1997 hat den 68-Jährige tief getroffen. 80 Besucher kamen zur Präsentation von „Günter Eichberg - Schalkes vergessener Retter?“ in die Flora.
Von Krankheit schwer gezeichnet hat Schalkes ehemaliger Präsident Günter Eichberg am Sonntagabend seine Biografie in der Flora vorgestellt. Mit dem Erstlingswerk von Autorin Katharina Strohmeyer will der als Sonnenkönig verschrieene vor allem mit den Mitgliedern des Vereins seinen Frieden schließen. Obwohl Schalke bei ihm seelisch und körperlich viel kaputt gemacht, hat der 68-Jährige nichts von seinem Charisma eingebüßt.
Die Tränen kann Günter Eichberg nicht halten als Katharina Strohmeyer die Passage über den, laut Eichberg, „schwärzesten Tag meines Lebens“ vorliest. Vor dem UEFA-Cup-Finale in Mailand griffen ihn aufgebrachte Fans körperlich an. „Erst haben sie nur gesungen ,Eichberg, rück die Kohle raus’, dann wurden sie handgreiflich“, berichtet der Ex-Präsident den 80 Besuchern, die zur Buchpremiere gekommen sind. Eichberg fand in einem Hotelzimmer Zuflucht und guckte das Finale im TV. Die Zuhörer erfahren, dass sieben Spieler der legendären Eurofighter unter Eichbergs Ägide geholt oder langjährige Verträge bekamen. Dass Eichberg den größten Triumph der Vereinsgeschichte auf diese Art erleben muss, bewegt viele Besucher - man hätte eine Stecknadel fallen hören.
„Es war nicht so hoffnungslos wie berichtet wurde“
Mit dem Buch will Eichberg das nachholen, was er nach seiner Amtszeit zwischen 1989 und 1993 versäumt hat: Sich gegen den Vorwurf, Schalke ruiniert zu haben, zu wehren. Der Leser erfährt, dass er vor allem wegen seiner Privatkliniken und der Berichterstattung des Magazins Spiegel in Turbulenzen kam. „Ich war ein unbescholtener Kaufmann, der Spiegel wollte mein Ansehen zertreten“, schildert Eichberg seine Sicht. Autorin Katharina Strohmeyer, die auf über 170 Seiten keineswegs versucht Eichberg’s Weste rein zu waschen, bestätigt den Eindruck mit Blick auf den Club: „Natürlich waren Schulden da, aber es war nicht so hoffnungslos wie berichtet wurde.“ Strohmeyer’s Gespräch mit Hans Leyendecker, damals Spiegel-Journalist, habe den Eindruck bestätigt. Danach hat der Verein gegen den Spiegel geklagt und in allen Instanzen gewonnen.
Eichberg selbst hat nie geklagt, auch aus Angst vor Gerichtskosten. „Sich nicht zu wehren, war ein Fehler“, gesteht der Gütersloher. Vom Verein war Eichberg nach seinem Rücktritt enttäuscht: „Mein Nachfolger (Bernd Tönnies, Anm. d. Red.) hat mich mit Füßen getreten.“ Dabei gab es unter seiner Führung auch Erfolge: Verdreifachung der Zuschauer- und Mitgliederzahlen, Planung der Arena, Personalentscheidungen wie die Verpflichtungen von Rudi Assauer oder Bodo Menze. Chronologisch arbeitet die Biografie Eichbergs Ära auf. Zitatboxen von Wegbegleitern machen das Buch doppelt lesenswert.
Ein Leben mit Höhen und Tiefen
Mit den Offiziellen des Vereins hat Eichberg schon Frieden geschlossen. „Wie die Fans über mich denken, kann ich nicht beurteilen“, so Eichberg im Gespräch mit der WAZ. Wenn es die Gesundheit zu lasse, möchte er bald wieder ins Stadion gehen. Viele Fans würden ihn aber ohnehin nicht mehr erkennen.
„Es ist hilfreich, wenn man unvoreingenommen an die Sache heran geht“, sagt Eichberg-Biografin Katharina Strohmeyer über ihre Arbeit. Ihr erstes Spiel habe die heute 30-Jährige als Kind im Parkstadion gesehen. Eichberg war damals Präsident. Sie habe um bestimmte Formulierungen kämpfen müssen. „Aber eine Biografie besteht nun mal aus Höhen und Tiefen.“
Eichberg beansprucht Rettung Schalkes
Über Themen wie Alkoholismus, Weinschorle sei damals das Hausgetränk auf der Geschäftsstelle gewesen, Familienprobleme oder den Übergriff in Mailand habe Eichberg erst nicht sprechen wollen. „Aber mir ging es um den unverstellten Blick“, so Juristin und Journalistin Strohmeyer. Eichberg denkt vor allem an die Fans: „Mir ging es darum, dass die Mitglieder erfahren, dass der, den sie früher gewählt haben, kein Arschloch war.“
Nach einem Oberschenkelbruch ist er heute auf einen Rollator angewiesen. „Den Krebs habe ich überstanden“, sagt Eichberg, der unter einer Leberzirrhose leidet. Auf die Frage im Buchtitel hat Eichberg eine Antwort: „Dass ich Schalke aus einer miesen Situation gerettet habe, beanspruche ich für mich.“