Gelsenkirchen. . Tipps statt Training. Schalkes hochtalentierte Nachwuchsspieler bekommen Hinweise und Warnungen für den Weg in die Profikarriere. Eine Veranstaltung der Spielergewerkschaft VDV in der DFB-Eliteschule Gesamtschule Berger Feld - wir waren dabei.
Fabian Reese ist 16 Jahre alt, Schüler der Gesamtschule Berger Feld und Spieler der U19 des FC Schalke 04. Sein Tagesgeschäft ist neben Deutsch, Mathe und Englisch eben auch der Fußball. Fabian Reese hat sich entschieden. Er will den Traum vieler junger Talente leben, er will seinen Traum leben, er will Fußballprofi werden. Dafür verzichtet der Junge aus Kiel, der im Sommer 2013 nach Gelsenkirchen kam und im Fußballinternat wohnt, auf vieles, was für Jungs in seinem Alter selbstverständlich ist.
Reese weiß, dass nur die wenigsten hochtalentierten Jugendspieler dauerhaft den Sprung in Profifußball schaffen. Er will dazu gehören. Fußballprofi zu sein, bedeutet allerdings mehr als nur Training, Tore und Titel.
Unterstützung durch die Schule
Dem Fußballprojekt der DFB-Eliteschule Gesamtschule Berger Feld gehören derzeit 58 Schüler an — von der U15 bis hin zu Profispielern. Auch Fabian Reese. Die allermeisten Schüler dieses Projekts stehen nebenan beim FC Schalke 04 unter Vertrag. Schule und Verein haben es sich mit Unterstützung der Vereinigung der Vertragsfußballspieler zur Aufgabe gemacht, nicht nur auf dem Fußballfeld Unterstützung zu bieten.
Ulf Baranowsky ist Geschäftsführer der VDV, Heinz Niggemeier ist Teambetreuer für Westdeutschland. In einer gut einstündigen Informationsveranstaltung mit dem Titel „Fußballprofi – Ansichten eines Traumberufs“ stellen beide Experten in der Bibliothek der Gesamtschule die vielen, eben häufig auch unangenehmen Facetten des Profifußballs vor. „Der Traumberuf kann schnell zum Alptraum werden“, sagt Baranowsky.
Stichwort Spielerberater. Baranowsky warnt vor den schwarzen Schafen dieser Branche: „Werdet nicht zu Spielbällen Dritter“, sagt er. Als Geschäftsführer kennt er junge Spieler, die sich in der Hoffnung auf eine Karriere „Knebelverträge“ aufschwatzen lassen haben. „Mit eurer Hoffnung wird dann Geld verdient“, stellt Baranowsky klar. „Es geht hier nicht um Freundschaftsbeziehungen, ihr geht mit eurem Berater eine Geschäftsbeziehung ein“, ergänzt Heinz Niggemeier. Baranowsky warnt vor extrem langen Laufzeiten von Förderverträgen. „Bei kürzeren Laufzeiten seid ihr flexibler. Und lasst Verträge vor der Unterschrift unbedingt prüfen.“
VDV setzt sich für die Interessen der Profis ein
Die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) vertritt als vom DFB, Ligaverband und DFL offiziell anerkannte Spielergewerkschaft die Interessen der Fußballprofis in Deutschland und unterstützt ihre über 1300 Mitglieder in den Bereichen Vorsorge, Recht, Bildung, Medizin und Training.
Mit Christoph Metzelder ist ein ehemaliger Schalker Vizepräsident der VDV, die ihren Sitz in Duisburg hat. Die Aufgaben teilt er sich mit Carsten Ramelow. Gerald Asamoah gehört zum 13-köpfigen Spielerrat. Auch Moritz Volz, der in der Schalker Jugend gespielt hat und jetzt bei 1860 München unter Vertrag steht, ist Mitglied des VDV-Spielerrats. (Christoph Winkel)
Stichwort Öffentlichkeit. „Image heißt Bild“, wissen die VDV-Experten. „Das Internet vergisst nicht“, sagt Niggemeier: „Alles was ihr macht, wird beobachtet. Jeder Fehler wird bestraft.“ Die VDV weist auch auf die Gefahr von unüberlegten Posts bei Facebook hin. „Ihr könnt euch sicher sein, dass jeder Personalverantwortliche eurer Profil checken wird.“ Daher gilt: Mit sensiblen Daten vorsichtig sein.
Stichwort Vorsorge. Obwohl Profifußballer in einem relativ jungen Alter ein überdurchschnittliches Einkommen erzielen können, haben nur geschätzte zehn Prozent am Ende ihrer Karriere finanziell ausgesorgt. Etwa 25 Prozent der ehemaligen Profikicker haben am Karriereende sogar mehr Schulden als Vermögenswerte. Erschreckend.
30 bis 40 Jahre bis zur Rente
Die VDV warnt vor unseriösen Geldanlagen und windigen Finanzberatern. Baranowsky: „Ihr braucht ein Finanzpolster, um sorgenfrei den Sprung in die nachfußballerische Berufslaufbahn zu schaffen.“ Nach der Karriere bleiben in der Regel noch 30 bis 40 Jahre bis zur Rente. Die längste Zeit ist also die Nachspielzeit. Und schon beim nächsten schweren Foulspiel kann die Karriere vorbei sein.
Stichwort Bildung. „Mit 234 Zweitligaspielen und 112 Toren kann in der Vermittlung der Arbeitsagentur niemand etwas anfangen“, sagt Baranowsky. Trotz aller Erfolge sei man Arbeitssuchender mit geringfügigen Qualifikationen. Die VDV rät: Die Schul- oder Berufsausbildung abschließen. Etwa 80 Prozent der Profis haben mit 30 Jahren keine oder kaum abrufbare berufliche Qualifikationen für den freien Arbeitsmarkt. „Auch eine Existenzgründung, wie etwa die Eröffnung einer Fußballschule, erfordern solide kaufmännische Kenntnisse.“ Die Praxis zeigt: Viele Spieler, die später als Trainer oder Manager gute Jobs haben, haben sich während ihrer Laufbahn weitergebildet. Oliver Bierhoff zum Beispiel. Der Manager der Nationalmannschaft hat ein Fernstudium an der Uni Hagen als Diplom-Kaufmann abgeschlossen.
Fabian Reese hat genau hingehört und verrät nach der Veranstaltung: „Natürlich ist es mein Traum, Fußballprofi zu werden. Aber ich habe einen Plan B.“ Reese ist erschrocken, wie hoch der Anteil von Profis ist, der nach der Laufbahn auf Leistungen Dritter angewiesen ist.
Eine Gefahr des Profifußballs. Eine von vielen.