Gelsenkirchen. Zweieinhalb Stunden lang nahm Liedermacher Reinhard Mey sein Gelsenkirchener Publikum am Freitagabend in der Emscher-Lippe-Halle mit auf eine sehr private, auf eine intime Reise durch seine Familiengeschichte. Man war ja unter sich, unter Freunden, über 2100 an der Zahl.
Zwischen „N’Abend, Gelsenkirchen!“ und „Gute Nacht, Freunde!“ liegt fast ein ganzes Leben. Zweieinhalb Stunden lang nahm Liedermacher Reinhard Mey sein Publikum am Freitag mit auf eine sehr private, auf eine intime Reise durch seine Familiengeschichte. Man war ja unter sich, unter Freunden, über 2100 an der Zahl. In der restlos ausverkauften Emscher-Lippe-Halle präsentierte der Barde auf Einladung von Emschertainment sein aktuelles Programm „Dann mach’s gut“.
Was wie ein Abschiedsgruß, ein letztes Adieu klingt, ist alles andere als das vorzeitige Ende einer grandiosen Erfolgsgeschichte. „Dann mach’s gut“, so auch der Titel der neuen Mey-CD, ist vielmehr ein Lied, das der Sänger 2013 seinem damals im Koma liegenden und vor vier Monaten verstorbenem Sohn Maximilian gewidmet hat. Eine melancholische, schmerzvolle Hommage an das Glück, das der Mensch oft erst erkennt, wenn es längst vergangen ist.
Den Sohn noch einmal, wie so oft, vom Bahnhof abholen zu können, danach sehnt sich der Vater. Mey plaudert über seine Songs, stellt sie in den Zusammenhang, dieses nicht. Der Sänger geht davon aus, dass seine Fans diesen leidvollen Teil seiner Biografie kennen. Mey zelebriert seine Trauer nicht. Auch im wunderbar anrührenden Abschiedslied „Lass nun ruhig los das Ruder“ schwingt leise Hoffnung auf bessere Tage mit.
Jugendlich frisch wie eh und je
An ein Ende seiner beispiellosen Karriere, an einen Abschied von seinen Freunden denkt der 71-Jährige lange nicht: „Ich habe meinen Zenit noch nicht erreicht“, verspricht er schmunzelnd. Der Liederpoet, der stets „wie Orpheus singen“ und „über den Wolken“ fliegen wollte, wirkt noch immer jugendlich frisch wie eh und je, wenn er, graue Hose, schwarzes Hemd, allein mit seiner Gitarre und seiner Stimme die Riesenbühne mühelos ausfüllt. Dabei zollt er einem Freund und Künstler wie Wolfgang Petry in einem Song Respekt für dessen konsequenten Abgang von der Bühne: „Ich hoffe, dass ich das auch mal so hinbekomme wie er.“
Aber noch ist ja Zeit. Zeit etwa für einen nachdenklichen Rückblick auf eigene Lebensstationen, für ein Blättern im Familienalbum.
Respekt und Dank
Reinhard Mey besingt das Glück seines Lebens in einem Liebeslied an seine Frau („Wenn Du bei mir bist“), die hoffnungsvolle Geburt seines Enkelkindes („Fahr dein Schiffchen durch ein Meer von Kerzen“), erinnert sich respektvoll und dankbar an den Vater („Vaters Mantel“) und an die Tochter, die längst erwachsen, immer noch so tut, als ginge es ohne ihn nicht („Spangen und Schleifen und Bänder im Haar“).
Über den Wolken
Aber auch bekannt Verschmitztes und Humorvolles steht auf dem Programm. Wenn Mey etwa seine Begegnung mit einer Kuhherde auf der Autobahn besingt oder eine Hommage ans „Taschentuch“, in das, so seine Vermutung, selbst eine Bundeskanzlerin Angela Merkel ab und an mal weint.
Und am Ende schließlich auch eine kleine, von vielen ersehnte Hommage an die großen alten Hits. „Dieses Lied war immer gut zu mir, deshalb pflege ich es und singe es nur alle zehn Jahre.“ Die Gelsenkirchener kamen am Freitagabend in den Genuss, „Über den Wolken“ mal wieder live zu hören. Und schwebten am Ende nach starkem Beifall beseelt wie auf Wolken nach Hause.