Gelsenkirchen. Die Frauen von drei Standorten halten gar nichts davon, Frauen an einen Ort zu verbannen. Sie plädieren stattdessen für eine zeitliche Eingrenzung ihres Gewerbes auf die späten Abend- und Nachtstunden.

„Die Lösung, die die Stadt will, wollen wir nicht. Wenn es einen Verrichtungsort gibt, dann kommen die Frauen von überall her und wir werden verdrängt. Wir bleiben hier.“ Ausrufungszeichen!

Karla, die mit acht, neun weiteren Frauen auf dem Parkplatz an der Münsterstraße anschafft, sagt, was alle denken: Für sie kommen Verrichtungsboxen, wie sie etwa in Essen auf einem alten Kirmesgelände an der B 224 stehen, nicht in Frage. Martha formuliert’s so: „Ich will nicht mit all den anderen Frauen zusammengesteckt werden.“ Viel zu viel Konkurrenz auf engstem Raum. Das gehe bestimmt nicht gut. Und auf der Strecke blieben die, die seit Jahren an festen Plätzen in Gelsenkirchen stünden.

„Seriöse Kunden würden niemals in ein Verrichtungsgelände fahren“

Über ihre Befürchtungen wollen die Prostituierten von Bickernstraße, Adenauerallee und Münsterstraße reden. Monika Gärtner-Engel (AUF), die schon vor längerer Zeit Kontakt zu den Prostituierten aufgenommen hat, vermittelte das Treffen mit der WAZ. Bei dem dann Julia von der Adenauerallee feststellt: „Wenn wir nicht von anderer Seite informiert worden wären, hätte keiner mit uns gesprochen und wir würden alle weggejagt.“

Die Frauen hätten sich immer an Standards gehalten: nur in den Abendstunden und nur mit Kondom. Sie betont: „Wir wollen unseren Standard erhalten, seriös und mit seriösen Kunden, die niemals in ein Verrichtungsgelände fahren würden.“ Wie Sarah und Emily verweist sie auf die 500.000 Euro, die die Verrichtungsstätte in Essen gekostet hätte. „Wie viel Gesundheitsberatung und Hilfe könnte man davon finanzieren ...“ Sarah, seit fast zehn Jahren auf dem Parkplatz Münsterstraße, hat konkrete Vorschläge für diesen Platz: „Man sollte hier die Bedingungen verbessern mit Mülleimer, Licht und Toiletten. Kostenlose Kondome wären auch sinnvoll.“ Aber: „Die Stadt hat mit uns noch nie gesprochen.“

Frauen favorisieren zeitliche Beschränkung ihres Gewerbes

Einhellige Meinung: Allen wäre damit gedient, wenn es dauerhaft eine zeitliche Einschränkung gebe und Straßenprostitution je nach Jahreszeit ab 20, 21 Uhr bis zum Morgengrauen erlaubt wäre.

„Wenn die sagen, wir machen zu, dann tun sie es eben. Dann bleiben wir zuhause.“ Es klingt fast trotzig, wie die junge Bulgarin das sagt, die mit einigen jungen Mitbewerberinnen direkt an der Münsterstraße steht. Den ganz Tag. Und die betont: „Wir springen nicht auf die Straße und halten Autos an.“ Aber sie stehen so, dass man(n) sie sieht. Straßenstrich halt – den Gelsenkirchen nicht mehr will. Weil auch Familien mit Kindern hier vorbei kommen ...

Mädchen, die an der Straße sitzen, „ein asoziales Bild“

Das Gewerbe ist hart, manchmal auch richtig fies. Kati ist auf 99; sie steht mit ihrem Dethleffs Wohnmobil neben der Gesprächsrunde an der Münsterstraße, wartet geduldig, bevor sie los legt: „Irgendwer hat das Gerücht in die Welt gesetzt, ich hätte Hepatitis und Aids. Hier, sehen Sie ...“ Sie hält mir ihre Gesundheitsatteste vor die Nase. Alles okay, kein Befund. Sie ist stinksauer. „Jemanden zu beleidigen, ist eine Sache. Aber das Gerücht zu verbreiten, ‘Die da ist krank’, das ist glatter Rufmord.“ Kati ist 54 Jahre und seit 30 Jahren im Job. Zur Münsterstraße kommt sie nicht mehr. Heute ist die Ausnahme. Sie hat gehört, jemand von der Zeitung ist da. Eine gute Gelegenheit ...

Vor etwa drei Jahren habe das mit dem Strich rund um die Uhr angefangen, erzählt sie. „Heute sitzen die Mädchen tagsüber an der Straße. Das ist ein ganz asoziales Bild. Die kennen keine Regeln und keinen Arzt.“ Katis Tonlage schwankt zwischen Wut über und Mitleid mit den Frauen. „Die Rumäninen und Bulgarinnen müssen sogar schwanger arbeiten“, will sie gesehen haben. Ja, auch sie plädiert für die zeitliche Einschränkung der Dienste. Verrichtungsstätte? „Das wollen die Gäste nicht.“ Ja, sie spricht wirklich von Gästen, nicht von Kunden oder Freiern. Über schlagkräftige Zuhälter gebe es auch einiges zu berichten – aber um die geht es heute nicht.