Gelsenkirchen. Das Landesorchester ist in unruhiges Fahrwasser geraten. Die Trägerstädte Gelsenkirchen, Recklinghausen und Kreis Unna vermögen die Mehrkosten durch die fällige Tariferhöhung für die Musiker kaum zu stemmen. Jetzt soll ein Runder Tisch in Düsseldorf bei der Suche nach Kompromissen helfen.

Beeindruckender hätte die Demonstration der Leistungsstärke dieses Klangkörpers kaum ausfallen können, und das sowohl optisch als auch akustisch.

Mit Gustav Mahlers opulent besetzter, gewaltiger dritter Sinfonie verabschiedete sich die Neue Philharmonie Westfalen furios in die Sommerpause.

Kommunen können Geld kaum aufbringen

Und gleichzeitig von ihrem Generalmusikdirektor Heiko Mathias Förster, der mit seinem Dirigat noch einmal ein ausdrucksstarkes Signal für den Klassenerhalt des Landesorchesters setzte. Die Neue Philharmonie ist, wie berichtet, durch die fällige Umsetzung des Tarifvertrages in schwieriges Fahrwasser geraten. Die ohnehin klammen Kassen der Trägerstädte Gelsenkirchen, Recklinghausen und Kreis Unna werden durch die Tariferhöhung mit ca 1,4 Millionen zusätzlich belastet, Geld, das die Kommunen kaum aufbringen können.

Die Träger verhängten darum einen sofortigen Einstellungsstopp, Gerüchte über eine mögliche erhebliche Verkleinerung des 130 Musiker starken Orchesters machen die Runde, die Angst vor einer Insolvenz der Träger grassiert.

Kein Zweifel an Qualität, Fleiß und Engagement der Musiker

Beim Konzert am Sonntag im Ruhrfestspielhaus, wo GMD Förster und Intendant Stephan Popp offiziell verabschiedet wurden, griff Recklinghausens neuer Bürgermeister Christoph Tesche die Horrorszenarien auf und versicherte den Orchestermitgliedern: „An der Qualität, an Fleiß und Engagement der Musiker besteht überhaupt kein Zweifel.“ Das Bemühen aller Verhandlungspartner habe das Ziel, das Orchester zu erhalten und zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.

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Um diese ging es auch bei einem Gespräch der Träger im NRW-Kulturministerium in Düsseldorf in der vergangenen Woche. Das Land ist an der Finanzierung des Orchester mit 2,57 Millionen im Jahr beteiligt. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der ebenfalls in der Runde vertreten war, schießt 347.000 Euro zu. Michael Makiolla, Vorsitzender des Trägervereins und Landrat des Kreises Unna, setzt auf einen Kompromiss aller Beteiligter. Damit der zustande kommen kann, wird das Land NRW Träger und Orchestervertreter (ähnlich wie es bereits Michael Schulz als Intendant des Musiktheater vorgeschlagen hatte) möglichst noch im August an einen runden Tisch bringen. Auch der scheidende Chef am Pult plädierte vehement für eine Zukunftssicherung seines Orchesters. Förster appellierte an den Trägerverein: „Ich wünsche mir von Landrat Makiolla eine Verpflichtungserklärung, dass dieses Orchester nicht kaputtgeht.“ Und auch Intendant Popp mahnte zum Abschied: „Diese Region braucht dieses Orchester so, wie es jetzt ist.“

Erfolge in wirtschaftlich schwierigen Situationen

Sieben Jahre lang leitete Heiko Mathias Förster als Generalmusikdirektor die Neue Philharmonie Westfalen. Ab der nächsten Spielzeit wird Förster Chefdirigent der Janacek Philharmonie im tschechischen Ostrava. Mit dem GMD verlässt auch Intendant Stephan Popp das größte NRW-Landesorchester.

Zwölf Jahre lang engagierte sich Popp für die Belange des Orchesters und brachte gemeinsam mit dem damaligen GMD Johannes Wildner das frisch fusionierte Riesenorchester auf den Weg. Popp, der zuvor als Geschäftsführer des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim und Intendant der Württem-bergischen Philharmonie Reutlingen Erfahrungen gesammelt hatte, strukturierte einzelne Arbeitsbereiche neu und erweiterte das Repertoire. Trägervereinsvorsitzender Michael Makiolla würdigte Popps Erfolge in wirtschaftlich schwierigen Situationen. Ihm sei die Sanierung des Haushalts zu verdanken, die Steigerung der Einnahmen um 150 Prozent, die Gründung einer Stiftung, die Realisierung von Gastspielen mit Weltstars wie Anna Netrebko, Lang Lang oder Herbie Hancock. Die Musiker bedankten sich mit Gaben für die Freizeitgestaltung: Für Förster gab’s einen Fußball, für Popp eine Astschere.