Gelsenkirchen. . Ernst-Martin Barth (54) löste im Februar in der Arena-Kapelle Pfarrer Norbert Filthaus ab. Seitdem hat er dort schon mehr Kinder getauft als in seiner „richtigen“ Gemeinde. Im Stadion sitzt er unter dem „F“. Er bete nicht für Punkte, sagt der Geistliche aus Erle ganz entschieden.

Für die Spieler hört die Saison schon bald auf, für Schalke-Pfarrer Ernst-Martin Barth hat sie vor wenigen Wochen erst begonnen. Seit Februar ist der 54-Jährige aus Erle für den evangelischen Part in der Kapelle der Veltins-Arena zuständig. Und obwohl seine Amtszeit gerade erst angefangen hat – er übernahm das Erbe von Pfarrer Norbert Filthaus – hat er in den schlicht gehaltenen 60 Quadratmetern bereits 20 Kinder getauft.

Zum Vergleich: In seiner „richtigen“ Gemeinde waren es im gleichen Zeitraum erst vier Kinder. „Da sind wir aber auch mehrere Kollegen“, lacht Barth, „das verteilt sich.“ Seit 24 Jahren ist er Pfarrer an der Matthäuskirche in der evangelischen Christus-Kirchengemeinde Buer.

Es gibt keinen Fußballgott

Nein, er bete nicht für Punkte, sagt der Geistliche aus Erle ganz entschieden: „Weil Gott keine Maschine ist, wo man oben etwas einwirft und unten dann etwas rauskommt.“ Einen Fußballgott belege die Bibel nicht, das sei eine Projektion. Die wiederum verurteilt Barth nicht im Geringsten: „Die Gedanken sind frei. Wer daran glauben möchte, soll das tun.“ Ohnehin strahlt der Schalke-Pfarrer Gelassenheit, Aufgeschlossenheit und Toleranz aus. Mit der Jugendgruppe, die er zuletzt durch die Arena führte, habe er in der Schalke-Kapelle, die bekanntlich direkt gegenüber des Spieler-Tunnels liegt, für die Menschen in Syrien, in der Ukraine und im Sudan gebetet.

Für Punkte betet Ernst-Martin Barth nicht, sehr wohl aber für die Menschen vom FC Schalke 04: „Der Verein liegt mir am Herzen.“ Profispieler habe er noch nicht kennen gelernt. „Die Zeit ist noch zu frisch, das mag noch kommen.“ Er selbst hat in Hobby-, Schul- und Studentenmannschaften gespielt. Eine Sprunggelenksverletzung vor drei Jahren machte dem Freizeit-Kicker einen Strich durch die Rechnung. Das Fußball-Fieber packte ihn als Sechsjährigen: „Die WM ‘66 war so ein Erlebnis für mich als Kind, danach habe ich selbst gespielt. Und wenn gerade kein Ball zur Verfügung stand, dann eben mit der Blechdose.“

2001 war Barth im Parkstadion

Bei Heimspielen sitzt der evangelische Pfarrer – sein katholisches Pendant in der Arena-Kapelle ist Georg Rücker aus St. Johannes in Gladbeck – am unteren Ende des mit weißen Sitzen markierten „F“ - in Block M, Reihe 20, Platz 24. „Ich habe schon für das Parkstadion eine Dauerkarte gehabt“, sagt Ernst-Martin Barth. Und ja, auch die sogenannte Meisterschaft der Herzen habe er dort 2001 miterlebt. Die Rückrunde der aktuellen Saison hat den 54-Jährigen dagegen sehr glücklich gemacht. „Es ist enorm, was diese junge Mannschaft geleistet hat“, lobt er die Schalke-Profis.

„Kumpel und Malocher - das liegt mir am Herzen“

Ernst-Martin Barth kam am 17. August 1959 in Marl-Hüls zur Welt. Mit seiner Frau Birgit (psychologische Psychotherapeutin) hat er zwei Töchter: Friederike (Jahrgang ‘89) studiert Jura in Bonn, Charlotte (Jg. ‘91) lebt in den von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.

Der leidenschaftliche Skiläufer (Abfahrtslauf) geht bis zu zwei Mal pro Woche ins Fitnessstudio. Er hört gerne Klassik, aber auch Pop, vor allem von Elton John. Barths Opa war Steiger, sein Vater hat über Tage gearbeitet.

Als eine Schülergruppe im Rahmen einer Arena-Führung die Kapelle betritt, ist Barth in seinem Element. Aus dem Stegreif geht er euphorisch-beseelt auf die schwarz-weiß gehaltenen Installationen und Gemälde des Künstlers Alexander Jokisch ein. Barth interpretiert, philosophiert, predigt, er findet seine eigene Biografie in den hellen und dunklen Flächen. „Hast du gemerkt, wo du gerade durchgegangen bist?“, fragt er einen Schüler, der mit dem Kopf schüttelt. Barth klärt auf: „Durch ein Kreuz. Jeder ist hier willkommen, deshalb ist das große Kreuz im Eingangsbereich der Kapelle geöffnet.“

Apropos geöffnet: Mit einer Sache hat sich der neue Schalke-Pfarrer immer noch nicht arrangieren können. Es dauert eine Weile, bis er die doppelte Glastür der Kapelle hinter sich wieder verschlossen hat, nachdem die Schülergruppe gegangen ist: „Das Schloss kostet mich manchmal richtig Nerven. . .“