Gelsenkirchen. 120 Kunstwerke. Kohlezeichnungen, Fotoverfremdungen, Öl-und Computermalerei hat Kolja Kohnen hinterlassen. Motive, zumeist in pralle Farben getaucht, die von Lebensfreude, Hoffnung, Fantasie zeugen, aber hier und da düstere Töne, die seelischen Tiefgang erahnen lassen. Zu sehen sind sie in der Reha-Klinik am Berger See.
Kolja Raic Kohnen – der Name klingt wie Musik. Aber die Melodie seiner Seele war chronisch verstimmt. Kolja litt an bipolaren Störungen, an manischer Depression. Die Krankheit besiegte den jungen Mann, der so vielseitige Fähigkeiten besaß. Am 16. November 2012 schied er, gerade mal 27 Jahre alt, freiwillig aus dem Leben. Zurück ließ Kolja seine Eltern Dagmar und Heinz, seine älteren Brüder Malte und Boris. „Ihr müsst nicht traurig sein! Ich bin es auch nicht mehr. Es beginnen immer neue Abschnitte. Das ist das Leben“, heißt es in Koljas Abschiedsbrief, den er bereits im Februar 2011 geschrieben hatte.
Aber noch etwas ließ Kolja Kohnen zurück: 120 Kunstwerke. Kohlezeichnungen, Fotoverfremdungen, Öl-und Computermalerei. Motive, zumeist in pralle Farben getaucht, die von Lebensfreude, Hoffnung, Fantasie zeugen, aber hier und da düstere Töne, die seelischen Tiefgang erahnen lassen.
Viele positive Gespräche
20 Bilder haben Dagmar (61) und Heinz (60) Kohnen für die Ausstellung „Beyond Kolja Raic Kohnen – Was ich noch sagen wollte ...“ in der Reha-Klinik am Bergmannsheil in Buer ausgewählt. Es ist Teil ihrer ganz persönlichen Trauerverarbeitung. Sie mussten lernen, mit der schier unerträglichen Wucht des Schicksals umzugehen, damit weiter zu leben. Jetzt stehen sie in den Räumen der Klinik inmitten geballter Erinnerungen an ihren jüngsten Sohn. Vor der Vernissage im März, sagt Heinz Kohnen, seien sie von Bekannten gefragt worden: „Was macht ihr da? Was tut ihr euch an?“ Im Nachgang sagt Dagmar Kohnen: „Der Abend war überwältigend.“
Alte Freunde sind gekommen, prominente Gäste, Interessierte, der Geschäftsführer der Reha-Klinik, Werner Neugebauer, Kulturdezernent Dr. Manfred Beck, Prof. Dr. Martin Schäfer, Leiter der Psychiatrie an der Uni-Klinik Essen und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS). Und Dirk Sußmann, der als Freund der Familie die Moderation übernommen hat.
Viele Gespräche über Kohnen schon beim Aufbau
Es gab viele Gespräche über Kolja, auch schon beim Aufbau der Ausstellung. Wir haben Zustimmung und Anerkennung erfahren“, sagt Heinz Kohnen. Es war seine Idee, Koljas Bilder zu zeigen, nachdem ein Freund seines Sohnes, der die Kunstakademie in Düsseldorf besucht, den Anstoß gegeben hatte.
Im Flyer zur Vernissage schrieben Dagmar und Heinz Kohnen Mut machende Sätze: „Kunst treibt die Genesung voran, fördert das Wohlbefinden und kann wichtiger Bestandteil des Heilungsprozesses werden. Wir als verwaiste Eltern wollen erkrankten Patienten helfen und zeigen, dass man trotz der verheerenden Krankheit solche tollen Bilder erstellen kann und sagen: Kunst kann bei Depressionen helfen.“ Die Werke, die die Eltern für die Ausstellung ausgewählt haben, lassen nicht unbedingt, wie man annehmen könnte, Rückschlüsse auf die Krankheit ihres Sohnes zu.
Eine Betroffenheit lösen sie indes allemal aus, wenn man weiß, dass der Künstler den Kampf verloren hat. Umso beeindruckender ist die farbenprächtige Leichtigkeit in Werken wie „Birds at Lake – in Progress“ oder „Picture of perfect Youth“. Gleich eine ganze Serie des Titels „Lost Engrams Progress“ verwandeln die Klinikwände in eine üppig colorierte Landschaft.
Zur Ausstellung ist eine kleine Broschüre erschienen, die mit kurzen Textpassagen von Kolja versehen ist. Etwa über die Angst oder über Zerrissenheit. In der sehr persönlich gehaltenen Schrift erfährt der Außenstehende einen kleinen Einblick in ein viel zu kurzes Leben. Das bestimmt war vom Studium der Physik, der Computerprogrammierung, aktiver Leichtathletik, Literatur, Musik – und seiner ganz individuellen Kunst.