Gelsenkirchen. Im vollbesetzten Glassaal von Schloss Horst erfuhren die Besucher des aktuellen Medizinforums von WAZ und St. Josef-Hospital Vorträge rund um die Schilddrüse.
„Wenn die Botenstoffe streiken – Hormonkrankheiten im Fokus neuer Therapien“, so lautete der Titel des WAZ-Medizinforums mit dem St. Josef-Hospital im voll besetzten Glassaal von Schloss Horst. Im Vordergrund der Vorträge rund um die Schilddrüse standen Knoten und nicht entzündliche Probleme. „Mit denen sind sie beim Hausarzt gut aufgehoben“, erklärte Dr. Peter Gunther Auer, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und konservative Intensivmedizin zum Auftakt.
Schilddrüse, Nebenschilddrüse und Bauchspeicheldrüse als hormonproduzierende Organe standen im Mittelpunkt des Abends im voll besetzten Glassaal. Die Ursache für Schilddrüsenprobleme sei oft dem Lebensraum geschuldet, erklärte Auer. „Deutschland ist ein Jodmangelgebiet.“ In NRW zum Beispiel liege die Wahrscheinlichkeit, einen Knoten zu entwickeln, bei rund 33 Prozent.
Die unbekannten Nebenschilddrüsen
Doch längst nicht jeder dieser Knoten sei bösartig. „Diese Patienten heraus zu filtern, das ist die Kunst.“ Und dann überraschte Auer: „Bösartige Zellen in der Schilddrüse sind sehr häufig, haben aber oft keine Bedeutung.“ Denn so genannte papiläre Tumore seien einfach da, streuten aber nicht. Im Gegensatz dazu stünden folikuläre Tumore, die über das Blut durch den ganzen Körper reisen, sprich streuen.
Für viele ein nahezu unbekanntes Organ sind die Nebenschilddrüsen. „Sie sehen aus wie Erbsen, sind im Ultraschall fast nicht sichtbar und wenn man sie sieht, ist das oft schon ein Befund“, so Auer. Arbeiten sie zu stark, besteht das Risiko einer Osteoporose, denn die kleinen Erbsen spiele eine wichtige Rolle im Kalziumstoffwechsel.
Dank minimalinvasiver Technik sind Narben deutlich kleiner
Angstbesetzt ist für viele das Thema Bauchspeicheldrüse. Ein Tumor an diesem Organ gilt als lebensgefährlich. Der hormonproduzierende Tumor, das Insulinom, ist zwar selten, aber in 95 Prozent der Fälle gutartig. Frauen sind davon doppelt so häufig betroffen. Hauptsymptom ist die Gewichtszunahme. Wann ein operativer Eingriff notwendig ist und wie er von statten geht, erklärte Dr. Hans-Peter Harasim, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie im St. Josef. Häufig bestehe die Möglichkeit bei einer Schilddrüsen-Operation, Restgewebe zu erhalten.
„Die Operationen sind dank ständigem Stimmbandmonitoring während der Operation sehr sicher geworden. Wir versuchen immer, gesundes Schilddrüsengewebe zu erhalten“, erklärte Hans-Peter Harasim. Auch die Narben seien mit 1,5 bis 2,5 cm dank minimalinvasiver Technik deutlich kleiner als früher. „Zum Verschweißen des verbleibenden Gewebes benutzen wir keinen Strom mehr, der mit 200 Grad Nerven schädigen konnte. Heute machen wir das per Ultraschall.“
Komplikationen halten sich in Grenzen, so Harasim, der auf 512 Schilddrüsen-OP zurückblickt.
Revolution bei den medikamentösen Therapien
Ausgesprochen anschaulich führte Privat-Dozent Dr. Gerald Meckenstock, Chefarzt der Klinik für Onkologie, in Problematik und Wirkmechanismen von Tumorerkrankungen ein. „Geschädigte Zellen sollen eigentlich absterben. Das tun sie in diesem Fall aber nicht. Sie verdoppeln sich.“ Ziel der Medikamente sei die Zerstörung der Tumorzellen bzw. die Wachstumshemmung. Das leiste auch die Chemotherapie. „Aber sie kann nicht unterscheiden zwischen guten und bösen Zellen.“ Die Folge seien zahlreiche schwere Nebenwirkungen. „Heute gibt es teilweise schon Medikamente, die die bösen Zellen erkennen und direkt an ihnen andocken.“
Die Fortschritte bei medikamentösen Therapien in der Forschung seien beachtlich, versicherte der Mediziner. „Das geht nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip.“ Im Klartext bedeutet das, man entwickelt ein Medikament speziell für eine Zelle, das quasi an sie andocken kann und den bösartigen Kreislauf unterbricht. Hier liegt der Schwerpunkt aktueller Forschung. „Nicht alle Biologicals sind so erfolgreich, dass sie zur Heilung führen. Aber der richtige Ansatz ist da.“
Derzeit werde auch an individuellen Therapien gearbeitet, die für den einzelnen Erkrankten und seinen Tumor maßgeschneidert sind. „Das ist noch Zukunftsmusik – aber sooo weit weg es nicht mehr.“