Gelsenkirchen. . Der Illustrator hat die Street Art für sich entdeckt. Auf sieben Stromkästen an der Bergmannstraße erzählt der 33-Jährige die Geschichten von zwei Menschen. In der Mitte treffen die beiden Storys aufeinander – eine kurze Entdeckungsreise

„Treffen sich zwei“ heißt ein angenehm unkonventioneller Liebesroman der Autorin Iris Hanika. Mit Liebe im eigentlichen Sinn hat Jesse Krauß’ Street Art-Comic, den er am Dienstag an der Bergmannstraße vollendete, erstmal nichts zu tun. Aber auch hier treffen sich eine Frau und ein Mann. Sie laufen sich auf halber Strecke über den Weg. Und sie treffen sich. . .auf einem Stromkasten.

Illustrator Jesse Krauß hat sieben graue Stromkästen ganzflächig mit einem Schwarz-Weiß-Comic-Strip beklebt. Der Clou: Zwei zunächst voneinander unabhängige Geschichten mit jeweils drei Episoden laufen aufeinander zu und finden auf Stromkasten Nummer sieben ein gemeinsames Ende.

Suche nach Glück und Wahrheit

Und irgendwie hat die Bildergeschichte dann doch mit Liebe zu tun. Denn die Charaktere sind minimalistisch, aber durchaus liebevoll gezeichnet: eine Frau auf der Suche nach der Wahrheit, ein Mann auf der Suche nach dem Glück und die Personen und Wesen, denen sie auf ihrer Reise begegnen, unter anderem einem sanftmütigen Zottelwesen in den Wolken. „Was ich aktuell mache, ist nett, freundlich und auch für Kinder geeignet“, sagt Krauß über seine jüngste Arbeit.

Die Idee dazu kam ihm im November beim Projekt „Walk the Line“, an dem auch Graffiti-Künstler Beni Veltum beteiligt war. Krauß: „Ich wollte, dass man die Straße entlanggeht und einer Geschichte folgt. Und damit man sie unter Umständen nicht rückwärts liest, weil man aus der falschen Richtung kommt, habe ich zwei Personen erdacht.“

Auf dem Kopf ein bewohntes Vogelhäußchen

Von der Ückendorfer Straße kommend, sucht die Comic-Frau nach der Wahrheit und begegnet in ihren drei Solo-Episoden einem religiösen Fanatiker (Fantasie-Religion), einem Wissenschaftler und einem Yogi. Ihr ständiger Begleiter: ein über ihrer Schulter schwebender Fisch, der kommentierend ins Geschehen eingreift.

Für seine sonst eher kleinformatige Kunst verwendet Krauß gewöhnlich Feder und Tusche, für seine Outdoor-Premiere nahm er Acrylstifte. Auch sein Glücksucher, der seine Reise von der Bochumer Straße kommend beginnt, hat tierischen Beistand: Auf seinem Kopf trägt er ein bewohntes Vogelhäuschen.

"Dialog mit einem Unbekannten"

Und auch der Mann begegnet verschiedenen Menschen, die ihm das Glück erklären wollen: ein Spieler, ein Nihilist, ein fantastisches Wolkenwesen. „Ich wollte dem prosaischen Straßenbild etwas Verträumtes entgegensetzen“, schmunzelt Krauß.

Den Vandalismus, der seiner Street Art bereits zwei Mal an gleicher Stelle zugefügt worden ist, nimmt der 33-jährige Bulmker mit einer buddhistischen Gelassenheit hin: „Vielleicht erfinde ich eine neue Episode.“ Krauß weiß auch: „Wenn ich Kunst im öffentlichen Raum mache, muss ich mit so etwas rechnen.“ Er wolle nun gewissermaßen in einen „Dialog mit einem Unbekannten“ treten.