Gelsenkirchen. Nachdem der schwarz-rote Koalitionsvertrag am Mittwoch die Runde machte, schwankt die Stimmung an der Parteibasis zwischen Lob und Skepsis. Am meisten beschäftigt die Genossen die Frage, wie das Ganze finanziert werden soll, wenn es keine Steuererhöhungen geben wird.

Die Große Koalition könnte zwei Monate nach der Bundestagswahl durchstarten. Ob das schwarz-rote Regierungsbündnis zustande kommt, steht allerdings noch in den Sternen.

Weil die Sozialdemokraten nach 1994 zum zweiten Mal beschlossen haben, ein Mitgliedervotum einzuholen. Einst der Kanzlerkandidat, heute die Zustimmung der Basis-Genossen über das Verhandlungsergebnis. Es bleibt spannend. Was auch das schwankende Stimmungsbarometer an der Gelsenkirchener SPD-Basis unterstreicht.

SPD soll Gesicht wahren

Stadtverordneter Ernst Majewski etwa hat in seinem Ortsverein Rotthausen sowie in der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen klare Ablehnung der Großen Koalition ausgemacht. Er selbst sagt nicht von vornherein Nein. „Wichtig ist für mich auch, ob sich das Ergebnis unseren Forderungen annähert.“ Die Basisbefragung findet seine volle Zustimmung. „Wir sind eine Mitgliederpartei, dann müssen wir die auch fragen.“

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Barbara Filthaus, sagt: „Alle, mit denen ich bisher gesprochen habe, sagen Nein.“ Viele hätten Angst, die SPD könne in der zweiten Koalition mit Kanzlerin Merkel das Gesicht verlieren. „Das ist auch meine Meinung.“

OB Preuß sagt Ja zur GroKo

Bürgermeisterin Gabriele Preuß bewertet die Verhandlungen in Berlin positiv. „Wenn man bedenkt, wie unser Ergebnis ausgefallen ist.“ Rente mit 63 oder doppelte Staatsbürgerschaft seien auch für Gelsenkirchen wichtige Themen. „Sigmar Gabriel hat Kante gezeigt und ist an der Aufgabe gewachsen.“ Sie hat ihre Position korrigiert: „Heute kann ich Ja zur Großen Koalition sagen.“

Zu den Skeptikern gehört Juso-Vorsitzende Sandra Latzke. „Die Fragen nach der Finanzierung bleiben offen“, sagt sie. „Dringende Anliegen wie Spitzensteuersatz und Bürgerversicherung sind nicht im Vertrag.“ Sie tendiere zur Ablehnung. „Die Stimmung ist durchmischt, gerade im Ruhrgebiet. Ich glaube, es wird schwierig.“ Jungsozialist Taner Ünalgan meint: „Ein Vertrag, dessen Inhalte nicht von einer glaubwürdigen Finanzierung getragen werden, wird es schwer haben.“ Wenn die Finanzierung nicht stimme, „glaube ich, dass die Genossen Nein dazu sagen“.

Zweifel an Finanzierbarkeit

Parteichefin und MdL Heike Gebhard denkt ebenfalls über die Finanzierung nach. „Wenn man die Milliarden zusammenzählt, fragt man sich: Woher soll das kommen?“ 6 Mrd. € für Kita und Ganztagsschule, das sei schon eine Hausnummer. Was ihr fehlt: „Maßnahmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit.“ Grundsätzlich müsse man schauen, „für wie viele Menschen wir eine Verbesserung erreichen“.

Auf ein Ja oder Nein will sich Bezirksverordneter Roberto Randelli noch nicht festlegen. Er hält die Große Koalition für fraglich, „wenn man bedenkt, dass der Union nur fünf Mandate fehlen“. MdB Joachim Poß sieht nach einer ersten Bewertung durchaus Erfolge für Städte wie Gelsenkirchen. U.a. darin: „Die Städtebauförderung wird aufgestockt und damit auch das Programm Soziale Stadt verbessert.“

SPD-Versammlung am 7. Dezember im Awo-Zentrum

Mit einer Sonderausgabe des Parteiorgans „Vorwärts“ erhalten alle SPD-Mitglieder schon bald die Wahlunterlagen, die dann ausgefüllt per Post zurück nach Berlin geschickt werden. Dort ist am Wochenende 14./15. Dezember Auszählung.

MdB Joachim Poß wird die Gelsenkirchener Genossen bei der für alle Mitglieder offenen Versammlung am Samstag, 7. Dezember, über den Koalitionsvertrag informieren. Das Treffen beginnt um 10 Uhr in den Räumen der Awo, Grenzstraße.