Gelsenkirchen. Projekt „komm auf Tour“ bietet früh Hilfestellung für Jugendliche in Gelsenkirchen, die richtige Berufswahl zu treffen. Spielerisch werden Stärken und Wünsche der Teenager herausgefiltert

Was kann ich, was will ich eigentlich? Diese vermeintlich einfache Frage stellt Jugendliche in einer stetig komplexer werdenden und sich mitunter rasend schnell verändernden Arbeitswelt vor massive Probleme – insbesondere die aus bildungsfernen Schichten. Was sie zumeist von ihrem Umfeld – Familie, Lehrer und Freunde – zu hören und vorgehalten bekommen, ist das, was sie nicht können, Letzten Endes manifestiert auf dem Zeugnis. Folge: Resignation, stark eingeschränkte Berufs- und Lebensperspektiven. Ein Teufelskreis.

Ziel: Stärken, Ansporn finden

Die Abwärtsspirale durchbricht das Projekt „komm auf Tour – meine Stärken, meine Zukunft“, das für drei Tage Station gemacht hat an der Gesamtschule Ückendorf. Es setzt Impulse für 550 Schüler der Klassen sieben und acht an Haupt-, Gesamt- und Förderschulen bzw. vergleichbaren Schulformen, um sie früh in ihrer Berufsorientierung und Lebensplanung zu unterstützen. Die Jugendlichen entdecken in einem Erlebnisparcours ihre Stärken, erhalten Orientierungshilfen für Praktika und erfahren, welche realisierbaren beruflichen Möglichkeiten auf sie warten könnten. Denn: Bei mehr als 350 Berufen gleicht der Job-Markt einem Dschungel.

Umsetzung: Spiele-Parcours

Die Schüler durchlaufen sechs Stationen: vom „Reiseterminal“ über den „Zeittunnel“ ins „Labyrinth“ und von der „sturmfreien Bude“ bis hin zur „Bühne“. Je nach Aufgabe und deren Lösungswege vergibt die Moderation sieben verschiedene Stärkeaufkleber an die Jugendlichen. Die Aufgaben entstammen dem Alltag. Sie erfordern ein breites Spektrum an Fähigkeiten: etwa praktisch anzupacken, Fantasie, mit Geld bzw. Zahlen umzugehen, einen grünen bzw. tierischen Daumen, zu beraten, zu verkaufen oder zu handeln, Ordnung zu machen, zu organisieren und/oder anderen Menschen unterstützend zu helfen. Eigenschaften, also, die nicht unbedingt jeder Eignungstest zu Tage fördert.

Auswertung: Hinterfragen

Je nachdem, welche Stärke-Sticker die Jugendlichen am meisten gesammelt haben, gehen sie zu einem Schrank, der Materialkollagen enthält. Die Schüler prüfen, ob die spielerisch entdeckten Stärken mit ihrer Selbsteinschätzung übereinstimmen: „Arbeite ich wirklich gern mit meinen Händen?“ oder: „Hab ich`s mit Zahlen?“ Die Moderation motiviert die Mädchen und Jungen zu einem anderen Stärke-Schrank zu wechseln, um sich auch dort zu informieren.

Und weil die Stärken mit Berufsfeldern verbunden sind, entdecken die Jugendlichen über die Kollagen, welche beruflichen Möglichkeiten (noch) auf sie warten könnten. Die Botschaften lauten: „Finde heraus, was dich interessiert. Du kannst mehr, als du bislang weißt.“

Auf zwei Bewerber kommt eine Lehrstelle

Eingeschränkte Berufsperspektiven beeinflussen benachteiligte Jugendliche negativ – das haben Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergeben“, sagt Susanne Biehler von der BZgA. Folge: tendenziell mehr ungewollte Schwangerschaften. Das Aufzeigen realisierbarer Wege sei neben Verhütungsinformationen daher ein Beitrag, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken. „Diese zu kennen, hilft weiter“, sagt Biehler. „Vor allem, wenn es um die Jobwahl geht.“

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Für 77% der deutschen Mädchen und 65% der deutschen Jungen (14 bis 17 Jahre) gehören Kinder zum Lebensentwurf dazu – das geht aus der Studie hervor. Mädchen mit Migrationshintergrund gaben sogar zu 82% den Kinderwunsch an. Indes: Für 90% aller Befragten wäre eine Schwangerschaft im Jugendalter „eine Katastrophe“. Trotzdem haben 8% der deutschen Teenager (12 bzw. 18 % bei Jungen und Mädchen mit Migrationshintergrund) bei ihrem ersten Mal nicht verhütet.

Elternabend am heutigen Mittwoch in Gesamtschule Ückendorf

Der Ausbildungsmarkt in Gelsenkirchen „ist schwierig“, sagt Rebekka Mecking von der Arbeitsagentur GE. Auf eine Stelle kämen immer noch zwei Bewerber und die Quote der Abbrecher sei hoch. „Jeder Vierte bis Sechste bricht die Lehre ab“, sagt Mecking. In Zahlen für August 2012: 2532 Bewerber gab es für 1199 gemeldete Lehrstellen in der Stadt. 517 Jugendliche gingen leer aus, demgegenüber stehen 268 unvergebene Lehrstellen.

Eltern sind wichtig, wenn es darum geht, Kindern Orientierung zu geben, gerade bei der Berufswahl. Um auch sie zu informieren über den neuen Markt der Möglichkeiten, findet heute, 18 Uhr, in der Aula der Gesamtschule Ückendorf, Bochumer Straße 190, ein Elternabend statt.