Gelsenkirchen.

Genüsslich schmatzend verschlingt Hagen Rether hintereinander drei Bananen. Die gehören bei seinen Auftritten zu den festen Requisiten.

„Sind wie immer Bio und per Flugzeug mit Rapsöl-Motor eingeflogen worden“, bittet der Essener Kabarettist im fast ausverkauften Musiktheater zynisch um Verständnis. Das Publikum war gekommen, um sich die bitterböse Wahrheit von Rether aufs Brot schmieren zu lassen.

„Na, wie is’ die Freiheit?“, fragt der Mann mit dem Zopf zur Begrüßung. Die Antwort liefert er selbst: „In Spanien verkaufen die Menschen ihre Nieren, um die Hypothek zu bezahlen und wir gucken, wer „Wetten dass“ übernimmt.“ Wäre Hagen Rether ein Fernsehsender, wäre er wohl als Arte auf die Welt gekommen. Mit seinem ständig aktualisierten Programm „Liebe“ ist er stattdessen in der ganzen Republik unterwegs, um für sein Publikum die Leichen aus dem Keller zu holen, die die Mainstream-Medien dort verstecken.

Klasse statt Masse

Es grenzt an Masochismus, wie geduldig sich das Publikum über drei Stunden lang die Abgründe aus Politik, Wirtschaft, Bildung und Religion erklären lässt. Auch wenn Rether seine Botschaften mit der ihm eigenen, gleichgültigen Art humorvoll verpackt: Es geht um 600.000 getötete Zivilisten im Irak, unterbezahlte Erzieherinnen, Lobbyisten, Ratingagenturen und die Ausbeutung von Mensch und Natur. Schwere Kost, bei der das Lachen im Halse stecken bleibt.

Er fackelt kein Pointen-Feuerwerk ab, sondern setzt auf Klasse statt Masse. Kostprobe: „Erst hast du keinen Kita-Platz, dann G8, dann Bachelor und dann Burnout.“

Emschertainment-Chef Helmut Hasenkox erinnerte vor dem Auftritt an Rethers Anfänge in der Kaue, als Pianist von Ludger Stratmann. Mittlerweile füllt Rether die großen Hallen. Doch das Publikum scheint verwöhnter geworden zu sein: Minutenlange stehende Ovationen wie bei seinen ersten Auftritten im MiR blieben diesmal aus. Einige Besucher hatten den Saal sogar schon vor dem Ende verlassen.