Gelsenkirchen. Bismarck ist für Leserbeirätin Brigitta Blömeke die Wahlheimat im wahrsten Sinne des Wortes. 1999 zog sie mit ihrem Mann hierhin. „Der Stadtteil hat Brüche, ist nicht glatt. Hier liegt man nicht samstags auf dem Bauch und schneidet die Rasenkante mit der Nagelschere. Das mag ich.“

Sagt die gebürtige Warburgerin, die in Münster studiert hat und sich in Gelsenkirchen schnell zu Hause fühlte. Von Buer – wo sie an der Gesamtschule Berger Feld unterrichtete, bevor sie leitend in Bottrop und später Waltrop arbeitete – zog die heute 64-Jährige erst nach Ückendorf, danach gezielt nach Bismarck. Gezielt, denn sie hat sich den Stadtteil und die Pläne, die die Stadt dafür hat, vorher genau angesehen.

„Hier hat die Stadt eine Menge für den Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf getan.“ Das bisherige Ergebnis der Förderung gefällt ihr gut. Viel Grün, viel Kultur, gute Infrastruktur, alle Einzelhändler, alle Ärzte – die Straßenbeläge allerdings könnte nach dem Geschmack der passionierten Fahrradfahrerin besser sein.

Für Brigitta Blömeke schlägt das Herz des Stadtteils auf Consol

Das neue (und eigentlich auch alte) Herz des Stadtteils schlägt für sie auf Consol. „Hier gibt es alles: Kindertheater, Theater für alle Generationen, Jazz in der Kellerbar, Feste wie das Drachenfest, Kurse – großartig!“ Auch das angeschlossene Grüngebiet – mancher mag es Brache nennen – hat es ihr angetan.

Unser Quartierspaziergang führt vom regentrüben Consol-Gelände über die auch ohne Regen triste Bismarckstraße. „Schade, so schöne Häuser, aber so vernachlässigt. Und diese 50er-Jahre-Blöcke zwischen den schönen alten Häusern. . .“ Der Weg führt vorbei an einem leerstehenden Haus, am türkischen Bäcker („Hmmm“!) und Casinos. Nächster Halt ist die Pizzeria „bella italia“ im altdeutschem Ambiente.

Galerie für Grundschulkinder

Der Wirt heißt Alfred Krieger, ist gebürtiger Bismarcker und kocht mit seinem Bruder seit 26 Jahren italienisch für den deutschen Geschmack. „Die Carbonara in Italien hat kaum Sauce, der Deutsche liebt Saucen. Also hat meine Carbonara viel Sahnesauce“, erklärt der ehemalige Maschinenbaustudent.

So einfach ist das. Aber es ist nicht die üppige Sauce, und auch nur ein bisschen der schöne Biergarten, die „bella italia“ zu einem von Brigitta Blömekes Lieblingsplätzen macht. Es sind vielmehr die schönen Bilder von Kindern der benachbarten Marschall-Schule, die hier seit vielen Jahren regelmäßig in Wechselausstellungen gezeigt werden – alle drei Monate neue. Dafür hat der Wirt eigens in Rahmen und Beleuchtungsleiste investiert....

Graffitis mit Bergbaumotiven

Wir verlassen die Bismarckstraße, schlagen uns in die Seitengassen Richtung Schalker Bauverein. Das schmucke Tor von 1926 öffnet den Blick in die chic renovierte Siedlung. Manche Wände zieren Graffiti mit Bergbau-Motiven von Benni Feltum. Am Ende der Gasse steht ein malerisches Fachwerkhaus. Die Jugendberufshilfe hat hier den Lahrshof übernommen. Eigentlich, um der Stadt Catering bei Seminaren und Tagungen anbieten zu können.

Zubereitet von arbeitslosen Jugendlichen und „Aktiv-Jobbern“, wie Euro-Jobber heute heißen. Mittlerweile wird hier aber auch ein Mittagstisch angeboten, Hausmannskost, vier Gerichte, auf Vorbestellung auch Frühstück. Zudem kann der Gastraum von Menschen aus dem Stadtteil gemietet werden. Was gerne angenommen wird. Entlang der Solarsiedlung, über das Gelände der evangelischen Gesamtschule führt der Weg weiter zu Brigitta Blömekes Zuhause an der Sellmannsbachstraße. Auch diese Straße hat Brüche. Eine Zechensiedlung mit Doppelhäusern in unterschiedlichstem Umbau- und Renovierungszustand, unterbrochen von wenigen Neubauten, gesäumt von viel Grün. Typisch Bismarck eben.

Das Herz des Stadtteils schlägt noch heute unterm Förderturm

Am meisten geprägt hat den Stadtteil die Zeche Consolidation. Mit einer Rekordförderzeit von satten 128 Jahren hat sie das Schicksal der Menschen rund um den Förderturm über viele Jahre bestimmt. 1865 begann das von Friedrich Grill zur Gewerkschaft Consolidation zusammengefasste Bergwerk, unter dem ab 1863 abgeteuft wurde, Kohle zu fördern. 1913 bereits erreichten die Consolidation-Förderanlagen eine Jahresförderung von 1,95 Millionen Tonnen. 1967 wurden die ersten Bereiche stillgelegt, 1993 war endgültig Schicht am Schacht auf Consol. Nur Hugo blieb noch übrig – bis zum Jahr 2000.

Das Herz des Stadtteils ist das Consolidations-Gelände um den Förderturm am Schacht 4 noch heute. Als multifunktionaler Treffpunkt mit Kultur in allen Spielarten und Begegnung, mit angeschlossenem Einkaufszentrum. Der Schalker Bauverein sorgte ab 1898 für bezahlbaren Wohnraum im Stadtteil. Die immer noch schmucke Siedlung rund um das Torbogenhaus entstand ab 1926.