Gelsenkirchen. . Bislang war das Mikrokreditangebot der Wirtschaftsförderung auf den Südosten der Stadt beschränkt. Nach guten Erfahrungen wird es ausgeweitet. 100.000 Euro stehen zur Vergabe bereit.

In Europa wird mit Milliarden jongliert. Bei Klein-Unternehmern geht es eher um vierstellige Beträge, die über Wohl und Wehe entscheiden können – Summen „weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle von normalen Kreditinstituten“, wie Wirtschaftsförderungsdezernent Joachim Hampe es ausdrückt. Hier 2000 Euro für Werbung, dort ein paar Tausender für ein gebrauchtes Firmenfahrzeug. „Wir reden hier oft nicht über große Summen. Aber häufig scheitert gerade daran die Existenzgründung“, weiß Oberbürgermeister Frank Baranowski.

Die Stadt hat bereits im April 2010 mit einem Projekt des Büros für lokale Wirtschaftsentwicklung in den Stadtteilen Neustadt, Bulmke-Hüllen und Ückendorf gegengesteuert – dort sah man besonders hohen Bedarf für Mikrokredite.

„Das ist kein geschenktes Geld“

Gut drei Jahre später zeichnet die Wirtschaftsförderung das Bild einer Erfolgsgeschichte und das Angebot wird nun aufs gesamte Stadtgebiet ausgeweitet. „Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Wirtschaft nicht immer in den ganz großen Gefügen abspielt“, sagt Hampe, „sondern getragen wird von Klein- und Kleinstunternehmern.“

Mikrokredite geben ihnen die Chance, außerhalb der bankenüblichen Kreditlinien ihren Fremdkapitalbedarf zu decken – über maximal drei Jahre Laufzeit, neuerdings zu einem effektiven Jahreszins von 8,9 %, ohne Gebühren und ohne Kosten bei einer vorzeitigen Kreditablösung.

Bei 10.000 Euro liegt mittlerweile das Limit für einen Erstkredit, für Folgekredite bei maximal 20.000 Euro. „Das ist kein geschenktes Geld, das ist ein fairer Zinssatz, der gut zurückzuzahlen ist“, sagt Petra Bünz, geschäftsführende Gesellschafterin der KIZ Management GmbH. Was die Praxis belegt: 633 Mikrokredite hat die KIZ Finanzkontor GmbH & Co. KG mit der GLS-Bank bisher bundesweit vergeben. Ausfallquote: gerade mal 3 %.

Sparkasse will Kunden "bankfähig machen"

„Darauf sind wir stolz“, sagt Bünz. In Gelsenkirchen ist die Quote noch besser. 100 % der Kredite wurden hier zurückgezahlt. Kleine Einschränkung: Noch ist die Zahl sehr überschaubar: 51 Anträge sind bei den Bearbeitern eingegangen, darüber hinaus hatten sie „deutlich mehr Anfragen“. Insgesamt wurden acht Mikrokredite vergeben. Die Sparkasse unterstützt das Projekt von Anfang an. Sie steuerte 20.000 Euro bei. Haftungskapital, das durch den Mikrokreditfonds Deutschland verfünffacht wurde. Der lokale Kredittopf ist aktuell mit gut 100.000 Euro gefüllt. Bei der Sparkasse sieht man auch langfristig ein Geschäft. Bereichsleiter Dirk Heemann: „Wir erhoffen uns natürlich ein Stück weit, die Kunden bankfähig zu machen.“

Das Geschäft in Fahrt gebracht

13 Jahre lang führte  Raffaela Buschmann ihren eigenen Salon.  l
13 Jahre lang führte Raffaela Buschmann ihren eigenen Salon. l © WAZFotoPool

„Die Leute waren nett, wir hatten ein offenes Gespräch. Ich habe meine Unterlagen vorgelegt. Das war nicht sehr aufwändig – und man hat sich nicht als Bittstellerin gefühlt“, fasst Raffaela Buschmann ihre Erfahrungen zusammen. 2000 Euro benötigte sie 2011, um eine kleine Werbekampagne für ihre Dienstleistungen als mobile Frisörin (0172 367 3911) zu starten. Das Geschäft ist noch im Aufbau. „Ich brauchte eine Anschubfinanzierung, habe rumtelefoniert und bin dann auf das Mikrokredit-Angebot gestoßen“, sagt die 52-jährige Frisörmeisterin.

Über 13 Jahre hat sie einen eigenen Salon geführt und war dann im Marketingbereich tätig, was als Alleinerziehende schwer zu vereinen war. Noch arbeitet die Mutter eines 16 Jahre alten Sohnes an drei Wochentagen in einem Frisörgeschäft. Doch den mobilen Service will sie weiter ausbauen. Mit der Geschäftsentwicklung bislang ist sie zufrieden.

Geld für den Standortwechsel

Kamrul Hussein (39) ist einer von acht Existenzgründern und Kleinunternehmern, die durch das Büro für lokale Wirtschaftsförderung einen Mikrokredit erhalten haben. 5000 Euro nutzte er für den Umzug mit seinem Pizza-Service.
Kamrul Hussein (39) ist einer von acht Existenzgründern und Kleinunternehmern, die durch das Büro für lokale Wirtschaftsförderung einen Mikrokredit erhalten haben. 5000 Euro nutzte er für den Umzug mit seinem Pizza-Service. © WAZ

Im „La Scala“ in Buer und bei „Nudelland“ sammelte Kamrul Hossein vor seiner Existenzgründung rund sechs Jahre lang gastronomische Erfahrung, ehe er sich 2006 mit einer Pizzeria an der Ückendorfer Straße selbstständig machte.

Eine Langzeit-Baustelle nah am Laden bedeutete dann fast das Aus. Ein Ortswechsel half, das Geschäft und die Existenz zu retten. Über den Bezirksbürgermeister kam Hossein an den Kontakt, der ihm finanziell den Weg ebnete.

5000 Euro Mikrokredit halfen Ende 2011 beim Umzug und der Einrichtung des neuen, 80 Quadratmeter großen Ladenlokals an der Ückendorfer Straße 48. Der 39-Jährige, Vater von zwei kleinen Kindern, beschäftigt in seiner Pizzeria San Remo mittlerweile sieben Mitarbeiter.

Mehr Informationen unter: www.mikrokredit-gelsenkirchen.de