Gelsenkirchen. Zehn junge Frauen und ein Mann bereiten sich beim Kurs für jüdische Musik auf ein Konzert vor. Begegnung der Kulturen. Jiddische Texte voller Melancholie und Freude

Wer jüdische Lieder anstimmt, der muss sich auf eine gefühlsbetonte musikalische Reise einstellen, bei der sich melancholische Stimmungen mit aufmunternden Klängen abwechseln. Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hatte zu einem musikalischen Exkurs in die Synagoge eingeladen. Musikpädagogin Jutta Carstensen entführte elf Kandidaten in die Welt der traurigen wie auch heiteren Stimmungen.

Dass nur ein einziger Mann Stil, Ausdruck und Sprache der jüdischen Musik kennenlernen will, es könnte ein Indiz dafür sein, dass Frauen eher den Zugang in Klangwelten voller Wehmut finden. Es geht schnell musikalisch zur Sache. Die Lehrmeisterin verteilt die Noten, nimmt die Gitarre zur Hand oder bearbeitet die Tasten des Pianos. Die 49-Jährige steht vor einer Truppe, die auf Anhieb nicht nur den richtigen Ton trifft, sondern auch Ausdruck und Charakter der musikalischen Stücke gut wiederzugeben weiß.

Sprache verbreitete sich im Mittelalter

Man merkt allen Teilnehmern an, dass gemeinsames Singen bereits erprobte Routine zu sein scheint. Voller Leidenschaft stimmen sie ein bei dem hebräischen Volkslied „Hawa nagila“. „Kommt wir werden jubeln und uns freuen, wacht auf Brüder mit frohen Herzen“– die Aufforderung des Textes spiegelt sich wider in den Gesichtern des neu formierten Chores. Vor allem bei den traditionellen jiddischen Liedern entfacht die Pädagogin die Leidenschaft bei ihren gelehrigen Schülern. Hebräische, slawische, romanische und deutsche Einflüsse prägen die Sprache, die sich im Mittelalter durch Migrationen der Juden von deutschsprachigem Gebiet aus in Europa verbreitet hat.

Eine Herzensgeschichte

Es sind Lebens- und Leidenslieder, in denen der Schmerz der Unterdrückung zum Ausdruck kommt. Für Jutta Carstensen ist die Musik eine Herzensgeschichte, die ihren Ursprung in ihrer früheren Gemeinde in der Pfalz hatte. „Da haben wir viele jiddische Lieder gesungen. In den Texten und der Musik wird die Kultur lebendig.“ Die Pädagogin, die in Gelsenkirchen lebt, als Solistin auftritt und auch schon ein Konzert auf Hugo gegeben hat, sieht die Lieder auch als Ausdruck der Völkerverständigung. „Musik macht das Herz weit.“ In vielen Liedern vermittelt die Moll-Tonart zunächst Schwermut und Traurigkeit. Doch zeigt sich in den unterschiedlichen Geschichten, die erzählt werden, immer auch Hoffnung und Fröhlichkeit. Noch vier Mal proben heißt es. Am 2. Mai wollen die zehn Sängerinnen mit einer männlichen Unterstützung beim öffentlichen Konzert in der Synagoge dann zeigen, was ihre Lehrmeisterin ihnen vermittelt hat.