Gelsenkirchen.

Alles muss raus im Apollo. Okay, die Leinwände bleiben dem Erler Kino noch erhalten, aber der Rest der Säle wird derzeit einer Frischzellenkur unterzogen. Unter anderem müssen die Stühle weichen.

„Die haben jetzt größtenteils über 20 Jahre auf dem Buckel“, weiß Ralf Kolecki vom Kino-Betrieb. „Die sind einfach durch.“

Am Samstag war dann jedermann eingeladen, sich einen ausgedienten Sessel nach Hause zu holen – ein fest für Heimkino-Fans, wobei Kolecki betont, dass man den Leuten keinen Schrott andrehen will. „Die Stühle weiter vorne sowie an den Seiten sind noch recht gut in Schuss, wenngleich sie in Sachen Komfort nicht mehr dem aktuellen Standard entsprechen.“

Sei es drum, den Filmfreunden gefällt die Aktion. „Ich wollte schon immer einen echten Kinositz haben“, freut sich Siana Somieski, die gemeinsam mit Freund Daniel Stiens eine Bank in den Kofferraum des Minivans lädt. „Ich weiß zwar noch nicht, wo wir die Stühle aufstellen werden, aber haben musste ich sie.“

Andere haben da schon spezifischere Pläne: „Ich bin gerade dabei, mir ein Heimkino einzurichten“, lässt Thomas Wedde sich ins traute Heim blicken. „Eine Anlage habe ich schon und da passt das mit den Sesseln jetzt perfekt“, freut er sich. Die Gattin ist allerdings weitaus weniger begeistert. „Meiner Frau graut es schon davor, dass sie zum Fernsehen demnächst immer in den Keller muss.“

Abbau per Handarbeit

Doch vor das Leinwanderlebnis in den eigenen vier Wänden haben die Kinobetreiber den Fleiß gesetzt, denn: Die Sessel mussten selbst und in Handarbeit aus ihrer Verankerung geschraubt werden - nicht immer ein leichtes Unterfangen. „Mann, ich möchte nicht wissen, wie viel Cola über die Jahre in die Gewinde gelaufen ist“, stöhnt Ralf Rietkötter, während er die Schrauben mit einem Inbusschlüssel bearbeitet. Keine Chance; die Schraube ist hoffnungslos verkantet; der Schlüssel dreht am Ende durch.

Auch Heinz Handtke verzweifelt. Eigentlich hat er die Dreierbank schon gelöst, nur der letzte Bolzen leistet vehement Widerstand. „Da geht nix“, befindet Handtke und schickt nach einer Brechstange. „Dabei sind die Sessel eigentlich für unseren Sohn beziehungsweise dessen Studentenwohnung in Hamburg.“

Andere rücken dem Mobiliar gleich mit schwerem Gerät zu Leibe. So wie Tim Meyer, der nach der Ankunft im Kino direkt wieder umgedreht hat, um Stahlbohrer und die Flex von zu Hause zu holen. „Ich habe sofort gesehen, dass man nur mit einem Schraubenschlüssel hier keinen Blumentopf gewinnen kann.“ Derart ausgerüstet wundert es nicht, dass Meyer und sein Bruder binnen kürzester Zeit zwei Stuhlreihen ausgebaut haben – was mitunter neidische Blicke auf sich zieht.

Schwarze Zahlen und Rücklagen

Perfektionisten wie die Meyers karren aber keineswegs die ganze Reihe in die heimischen vier Wände. „Einige Sitze sind defekt oder so schmutzig, dass man sie nie mehr sauber bekommen würde.“ Also brummt der Akkuschrauber, um die störenden Sessel auszubauen.

Kolecki ist schon Samstagmittag mit der Aktion zufrieden. „Rund 50 Leute haben sich gemeldet, um die rund 200 Sessel abzuholen, und ich denke, wir werden alle weg bekommen.“

Gab’s auch Kritik? „Na ja, für meinen Freund ist das blau nicht so ganz optimal“, zwinkert Siana Somieski. „Der ist nämlich BVB-Fan.“

Insgesamt bilanziert Kolecki die ersten Jahre nach Übernahme des ehemaligen Warner-Multiplexes: „Es läuft wirklich gut.“So gut, dass man nicht nur schwarze Zahlen schreibt, sondern auch Rücklagen für die längst überfällige Umbauaktion bilden konnte.