Gelsenkirchen. Der Bohrtrupp von w&f unterquert den Rhein-Herne-Kanal. Bis zu 20 Meter am Tag geht es im Untergrund voran. Die Baustrecke für den Emscherkanal ist allein in Gelsenkirchen acht Kilometer lang.

Es geht mit voller Kraft gen Nordosten, im 45 Grad-Winkel unter dem Rhein-Herne-Kanal durch. „Isabel“ räumt den Weg frei. Zwölf Meter lang ist die Vortriebsmaschine – ein mächtiger Stahlzylinder mit gut 3,60 m Durchmesser, vollgepackt mit schwerer Technik und einem Schneidrad an der Spitze. Seit fünf Wochen geht es unter der Hafenbahnstraße voran. Eingerichtet wurde die Großbaustelle bereits im Dezember 2012. Es ist eine von derzeit drei in Gelsenkirchen, von der der Vortrieb des Emscherkanals angegangen wird.

Der Untergrund ist nicht ohne Probleme. „Der Emschermergel ist sehr feinkörnig und wird seifig, wenn er feucht wird“, sagt Wulf Himmel, Projektleiter der Emschergenossenschaft und im Bereich Planung und Bau tätig. Der BA 31, der Bauabschnitt 31, der vornehmlich acht Kanal-Kilometer auf Gelsenkirchener Grund umfasst, ist sein Bereich und Teil eines Jahrhundertprojekts. Mit dem Bau des Abwasserkanals Emscher läuft ein 4,5 Mrd Euro schweres Infrastrukturprojekt zur Renaturierung des eingepferchten Flusses. allein 570 Mio Euro werden in Gelsenkirchen verbaut.

38 Tonnen schwer sind die Rohre, die der Portalkran in den Scjhacht absenkt. Innendurchmesser: 2,80 Meter.
38 Tonnen schwer sind die Rohre, die der Portalkran in den Scjhacht absenkt. Innendurchmesser: 2,80 Meter. © WAZ FotoPool

„Der Boden lässt sich mit großer Kraft schneiden“, sagt Himmel. „Isabel“ – auf den Namen wurde die nagelneue Vortriebsmaschine am 1. Februar beim offiziellen Baustart getauft, wühlt sich wie ein riesiger Maulwurf durch den Schalker Untergrund. Angetrieben von maximal sechs Hydraulik-Pressen geht es voran. Jede baut bis zu 1500 t Druck auf. Eine Macht. Und ausreichend, um die Bohrmaschine und 350 Meter Rohr bis zum Zielschacht durchs Erdreich zu drücken.

350 Meter lang wird das Teilstück unter dem Rhein-Herne-Kanal. Ein Arbeiter schraubt am Förderband, über das der Abraum in die Loren befördert wird.
350 Meter lang wird das Teilstück unter dem Rhein-Herne-Kanal. Ein Arbeiter schraubt am Förderband, über das der Abraum in die Loren befördert wird. © WAZ FotoPool

Ausgangspunkt ist „Schacht 52“. Gut 20 Meter tief und 14 Meter breit ist der Schlund, der Menschen und Technik aufnimmt, aus dem der Abraum mit Loren befördert wird, in den täglich die Stahlbeton-Rohre für den Ausbau gesenkt werden. Ein blauer Portalkran fährt dann über das Riesenloch, lässt die 38 Tonnen schweren Rohr-Stücke hinab. Jedes hat einen Innendurchmesser von 2,80 Metern. Das Abwasser der Region wird hier nach 2017 durchgespült. Zukunftsmusik. Tausende Tonnen Mergel liegen noch dazwischen. Bis zu 23 Kubikmeter fassen die großen Loren, die eine Schöma-Grubenlok auf Schienen aus dem Tunnel zieht. Per Laser-Messung wird die Stoßrichtung für den Bohrtrupp exakt vorgegeben. Die Zielgenauigkeit selbst auf der Langdistanz liegt im Zentimeterbereich. das ist auch nötig, weil: „Größere Vrsprünge könnten wir nicht ausgleichen“, sagt Himmel

Auf Schienen aus dem Tunnel

All das erfordert immense Logistik. Einige Versorgungsleitungen im Tunnelrohr sind oberschenkeldick. „Hier haben wir zweimal Luft, zweimal Kühlwasser, einmal Schmutzwasser und vier Stromleitungen: zwei 400 Volt-Kabel und zwei mit 1000 Volt“, zählt Polier Raschid Merikhi auf. Im Zweischicht-Betrieb arbeitet die Belegschaft von Wayss & Freytag Ingenieurbau (w&f) im und am Tunnel. Acht Leute pro Schicht treiben den Kanal voran. 18 bis 20 Meter geht es pro Tag vorwärts. Im Idealfall. Noch läuft die Einfahr-Phase. Michael Demuth, Supervisor der Herrenknecht AG, ist vor Ort. Die Spezialisten für maschinellen Tunnelvortrieb haben „Isabel“ konstruiert, Demuth macht noch die Baustellenbetreuung für die w&f-Maschinenfahrer. Wayss und Freytag bohrt den Tunnel, verlegt die Rohre, baut Schächte und Pumpwerke für ein stolzes 420-Mio-Euro-Stück aus dem Riesenkuchen Emscherumbau. „Es ist der größte Einzelauftrag, den die Emschergenossenschaft je vergeben hat“, sagt Himmel.

Bislang vier Pressen drücken die Rohre und die Bohrmaschine durch den Untergrund. Später werden es sechs sein. Jede baut bis zu 1500 Tonnen Druck auf
Bislang vier Pressen drücken die Rohre und die Bohrmaschine durch den Untergrund. Später werden es sechs sein. Jede baut bis zu 1500 Tonnen Druck auf © WAZ FotoPool

„Isabel“ macht einen Höllenlärm. Die Arbeiter tragen im Tunnel Gehörschutz. Irgendwo da oben über ihren Köpfen müssen die Böschung, das Wasser des Rhein-Herne-Kanals sein. Keine 20 Meter entfernt. Es ist feucht, es ist warm. „Ende März werden wir mit der Haltung fertig sein“, glaubt w&f-Bauleiter Florian Feist. Dann ist der Zielschacht erreicht. Und es geht weiter. Gebaut wird für eine kleine Ewigkeit. Himmel schaut aufs glatte Tunnelrohr: „Das hier, das hält 100 Jahre. Da habe ich keine Zweifel.“