Gelsenkirchen. . Stippvisite in der DHL-Basis Gelsenkirchen. 60 Zusteller beladen ihre gelben Lkw mit abertausenden Paketen. Thorsten „Tony“ Tusche ist einer von ihnen

Dumpf poltern die Kartonagen, die zwei flinke Hände vor dem grell-gelben Lieferwagen auftürmen, durchbrochen vom hellen Piepen eines Scanners, der die eckige Fracht im Akkord registriert. Dann rattert auch schon der nächste vollgepackte Rollwagen heran, scheppernd kommt er neben einem seiner der unzähligen stählernen Brüder zum Stehen.

„Hallo, Tony“, stellt sich Thorsten Tusche hastig vor. Sein Atem steigt in Wolken in den dunklen Morgenhimmel vor der DHL-Zustellbasis in Gelsenkirchen, Schweiß perlt auf seiner hohen Stirn. Der freundliche Glatzkopf hat zurzeit viel Stress. 11 000 Pakete liefern er und seine 59 Kollegen in dieser Woche aus – quasi als rechte Hand des Weihnachtsmannes bzw. Christkindes. Einen Moment des Innehaltens gibt es da nicht. Zwar beantwortet der Postbeamte geduldig alle Fragen, doch Tonys Augen und Hände führen dabei ein reges Eigenleben.

Tony bewegt täglich Tonnen

Routiniert gleiten Päckchen und ausladende Pappboxen durch seine Hände, ein Lesegerät erfasst elektronisch die Frachtdaten, danach wuchtet er die Sendungen in seinen Lastwagen. Tonys Tour führt in den Stadtteil Resse. „189 Auslieferungen habe ich eingeplant“, sagt er. Bis halb fünf nachmittags will er sein heutiges Pensum erfüllen. „Das geht ganz schön aufs Kreuz“, lässt der 43-Jährige durchblicken, dass sein Beruf kein Zuckerschlecken ist. Maximal 31, 5 Kilogramm dürfen die Sendungen wiegen, nicht besonders viel auf den ersten Blick. Das bedeutet im Umkehrschluss aber, dass Tusche täglich zwischen drei bis sechs Tonnen Pakete bewegt – und im ungünstigsten Fall gleich mehrfach, weil niemand zu Hause ist – treppauf, treppab.

Vertrauensperson Postmann

Beklagen tut sich Tony nicht. Im Gegenteil: Er „liebt“ seinen Job noch so „wie am ersten Tag vor 26 Jahren“. Und das hat viel mit dem Verhältnis zu seinen Kunden zu tun. Nicht dass er geschwätzig wäre, oder seine Arbeitszeit vertrödeln würde, nein, das nicht, aber ein offenes Ohr für die kleinen und großen Nöte hat er schon. „Geburten, Hochzeiten, Scheidungen – das bekomme ich alles aus erster Hand mit“, sagt der Bueraner. Denn nicht selten warteten die Menschen bereits vor der Tür auf ihn. „Manchmal sogar mit einer Tasse Kaffee, Kakao oder Keksen in der Hand“.

Es sind diese kleinen Dinge, die die permanente Hektik und Konzentration im wüsten Straßenverkehr ausgleichen. Wobei seine Arbeit an Weihnachten mehr einem zermürbenden Stop-and-Go gleicht, weil die Straßen meist hoffnungslos verstopft sind. Pakete zuzustellen wird da zur echten Geduldprobe.

Ein Lichtblick sind Erlebnisse, „die einem das Herz wärmen“, verrät Tony. Einmal, so der Beamte, habe eine Mutter geklagt, sie würde keinen Kindergartenplatz finden. Als er auf seiner Tour dann an einem solchen Hort vorbeikam, hat er kurzerhand den Hilferuf an die Einrichtung weiter gegeben. Ergebnis: „Der Frau wurde prompt geholfen, wunderbar oder?“

Tja, und dann war da noch ein kleiner Junge in seinem Bezirk, Tim. „Der hat immer auf mich gewartet und wollte wissen, was ich als Postbote den ganzen Tag so mache, wohin ich als nächstes fahre und wie man Zusteller wird“, erinnert sich der 43-Jährige.

Und? „Nun“, sagt Tusche schmunzelnd, „heute ist Tim Osigus mein Arbeitskollege.“ Spricht’s und verschwindet im Führerhaus seines Lkw. Denn die Zeit drängt, schließlich hat er seinen Kunden im Bezirk ein Versprechen gegeben: „Pünktlich zu sein, plus minus 20 Minuten, mehr Toleranz gebe ich mir nicht, Pakete abzuholen.“ Auch nicht zu Weihnachten.

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