Gelsenkirchen.

Alle politischen Unklarheiten im Land sind beseitigt. Dafür haben die Wähler am Sonntag mit ihrem klaren Votum gesorgt. Um 18.01 Uhr, als die erste Prognose eintraf, rissen die Genossen im August-Bebel-Haus jubelnd die Arme in die Höhe, um anschließend rhythmisch zu applaudieren.

Ganz vorne dabei: Markus Töns, Direktkandidat für den Wahlkreis 75, für den Stadtsüden. Als wenige Minuten später die erste Hochrechnung kam, kannte die Euphorie keine Grenzen mehr. „Mit dieser Deutlichkeit habe ich nicht gerechnet“, sagte Töns lächelnd – und als CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen um 18.14 Uhr seine Niederlage eingestand und seinen Rücktritt als Landesvorsitzender bekannt gab, schallte durch die Räume an der Gabelsberger Straße schadenfroh ein langgezogenes „Ooooooh“.

Deutlicher Sieg der Genossen

Es war ein deutlicher Sieg der Genossen, auch auf lokaler Ebene. Je mehr Stimmbezirke ausgezählt waren, umso mehr verfestigte sich: Sowohl in der Parteienwertung konnten die Sozialdemokraten zulegen als auch in den Resultaten der Direktkandidaten Heike Gebhard (Wahlkreis 74) und Töns.

Erreichte die SPD bei der Landtagswahl im Jahr 2010 bei den Erststimmen 53,2 Prozent, waren es dieses Mal 56,5 Prozent. Bei den Zweitstimmen vereinten die Genossen vor zwei Jahren 47,9 Prozent hinter sich, dieses Mal waren es 50,7 Prozent – und damit knackten die Roten auch wieder die magische 50-Prozentmarke.

Völlig unangefochten sicherten sich Gebhard und Töns die Direktmandate für das Parlament in Düsseldorf. Und nicht nur das. Hatten sie vor zwei Jahren schon gegenüber 2005 einen drauf gesetzt, toppten sie ihre Ergebnisse jetzt noch einmal. Heike Gebhard holte im Stadtnorden 56,6 Prozent (53,0 % in 2010) und Markus Töns 56,5 Prozent (53,4 % in 2010).

Lange Gesichter dagegen in der Bueraner Rathauskantine. Die CDU verlor in einem zuvor nie geglaubten Ausmaß. Die Partei verlor im Land – und in Gelsenkirchen. Holten die Christdemokraten vor zwei Jahren bei den Zweitstimmen noch 23,8 Prozent, erreichten sie dieses Mal 17,8 Prozent – weniger als 20 Prozent!!! Analog dazu fielen auch die persönlichen Resultate von CDU-Generalsekretär Oliver Wittke im Stadtnorden und Frank-Norbert Oehlert für den Stadtsüden aus: nämlich mager. Wittke kam auf 22,7 Prozent (25,7 % in 2010), Oehlert auf 20,2 Prozent (24,9 % in 2010).

Ansonsten herrschte Freude: Die Grünen (von 7,5 auf 8,1 %) und die Liberalen (von 3,6 auf 4,4 %) legten in der Stadt leicht zu, während die Piraten einen den Trends entsprechenden Erfolg schafften: Kamen sie vor zwei Jahren auf 1,5 Prozent, katapultierten die Wähler sie jetzt auf 8,4 Prozent. Nur die Linke, sie taumelt mit 3,2 Prozent (7,2 % in 2010) der Bedeutungslosigkeit entgegen.

Eine kleine Analyse

Die Gedanken sind frei. Und als der prognostizierte Absturz der CDU sich in den Hochrechnungen verfestigte, wanderten sie zu einem alten Filmtitel: „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Die Christdemokraten dürfen in der Stunde eines absoluten SPD-Sieges zwar ein wenig ihre Wunden lecken, doch vielmehr müssen sie sich damit beschäftigen, warum es einen Absturz fast ins Bergfreie gab. Die Partei brach ein und die Einzelkandidaten Oehlert und Wittke konnten ihr Niveau nicht halten. Der Generalsekretär der CDU allerdings fällt butterweich. Auf Nachfrage der Redaktion gab sich Wittke am Sonntagabend sehr zuversichtlich, den Einzug in den Landtag über Listenplatz 4 geschafft zu haben. Wenigstens das.

Entsprechend der Konstellation war der Jubel in der Zentrale der Genossen zu Recht riesengroß. Sie haben sich im Wahlkampf behauptet. Ob Currywurst nun SPD ist oder die SPD Currywurst isst – das Wortspiel überlassen wir mal denen, die sich damit beschäftigen wollen. Klar scheint: Die Roten haben es am Sonntag geschafft, ihre Wähler zur Stimmabgabe zu bewegen. Das ist Schwarz nicht gelungen.

Bleiben die Piraten. Aus dem Nichts haben sie sich auch in Gelsenkirchen in kaum geahnte Höhen katapultiert, haben mehr Stimmen eingefangen als etwa die Grünen. Mit dieser erstaunlichen Tatsache müssen sich alle Parteien in der Stadt beschäftigen und herausfinden, wer da eigentlich wen gewählt hat – und warum. Das ist vor allem eine Aufgabe für die Kommunalwahlen 2014, denn da könnten sich für den Rat der Stadt richtig spannende Konstellationen ergeben.