Gelsenkirchen. Eine neue Stadtrundfahrt mit dem Cabrio-Doppeldecker soll Einheimischen und Touristen die schönsten Seiten der Stadt zeigen. Schulen zeigen großes Interesse am Angebot. Vor Schloss Berge greift der Chauffeur zur Fernbedienung und öffnet das Dach: Applaus.
16 Uhr: Bahnsteig 8 am Buerschen Busbahnhof. Ungeduldig knubbeln sich etwa 60 Wartende, blicken skeptisch in den grau verhangenen Himmel. Sie warten auf die Sonne und den Doppeldeckerbus, der sie durch die Stadt chauffieren wird. In einem Cabrio sollen Gefühl der Menschen und Offenheit der Stadt einen Doppelpass spielen. Und das Wetter meint es gut mit den Stadttouris wie auch mit den Rathausstrategen, die das Konzept für den 100-minütigen Rundblick auf die Stadt entwickelt haben. Der Himmel reißt auf, zeigt sein schönstes Blau, synchron zur Farbe des Busses, der sich langsam einen Weg in den schmalen Bussteig bahnt.
Dass der Fahrer vor Ort kassiert, verzögert den Start und bringt den regulären Fahrplan für den dahinter wartenden Linienbus durcheinander. So schiebt sich das letzte Dutzend schnell in den Bus, kann drinnen bezahlen. Auf geht’s. Dass Fahrer Thomas Kiefer in Essen wohnt, RWE- und St. Pauli-Fan ist, wird ihm verziehen. Schließlich hat sich der Veranstalter „Ruhrgebiet Stadtrundfahrten“ mit dem blauen Bus schon den Schalker Fußballfarben angepasst.
Stadtführer Reinhard Michels ist gleichzeitig Navigator des Fahrers und Erzähler städtischer Historie. Vor Schloss Berge greift der Chauffeur zur Fernbedienung und öffnet das Dach: Applaus. Auch wenn Reinhard Michels zugibt, weder Glühwein noch Heizdecken an Bord zu haben. Er erzählt vom Rathausbau 1912, von der Gemeindereform 1928, die aus Buer und Gelsenkirchen eine Stadt gemacht hat, und von den 50000 Bergleuten, die hier mal beschäftigt waren. Elfriede Dopatka, in Buer geboren, zieht eigentlich nichts in den Süden. Doch bei der Tour wollte sie dabei sein. Sie ist überrascht und angetan vom grünen Stadtbild auch jenseits des Kanals.
Geschichte bei geöffnetem Dach
Nur sieben Städte in Deutschland sollen grüner sein, versichert Reinhard Michels. Der Bus passiert das Zoom-Gelände, Bismarck. Am Bahnübergang im Haverkamp taucht er so gerade unter der Schranke durch, die sich im bedrohlichen Sinkflug befindet. Man erfährt, dass Consol einst den höchsten Förderturm der Welt besaß und in Bulmke-Hüllen mal 3000 Menschen auf einem Quadratkilometer wohnten. Nur wenig weiß der Stadtführer über den ehemaligen Schalker Verein zu berichten. Über die Initiative, die zur Rettung des alten Postgebäudes beigetragen hat, erfahren die Mitfahrer nichts.
Auf der Küppersbuschstraße demonstriert der Fahrer seine Rangierkünste, schlängelt den Bus an falsch parkenden Autos vorbei. Bei vier Meter Bushöhe zwingen 3,70 Meter Durchfahrtsgrenze im Tunnelbereich zur Wegänderung. Über Heßler, Buga-Gelände und Horst steuert der Bus wieder seinen Heimatbahnsteig an. Christine Gulla staunt. Sie hat vor 50 Jahren Gelsenkirchen verlassen, ist überrascht über das neue Stadtbild und das grüne Gesicht. „Solche Rundfahrten können helfen, bei auswärtigen Besuchern das schlechte Image zu korrigieren.“ Am Donnerstag, 26. April, startet der Bus am Stadttheater. Dass auch die Jüngsten auf Gelsenkirchener Spurensuche unterwegs sein wollen, zeigt die Resonanz in den Schulen. Elf haben schon für ihre Viertklässler gebucht.