Gelsenkirchen. . Mit der neuen Hauptsatzung für die Stadt Gelsenkirchen wird die bezahlte Teilnahme Sachkundiger Bürger an Fraktionssitzungen auf 35 pro Jahr gedeckelt. Die Sachkundigen Bürger von Pro NRW kassierten 2011 für die Teilnahme an Fraktionssitzungen mit Abstand am meisten. Unterm Strich im Jahr 2011 einen Betrag von 16 348 Euro.
Sie haben kein Stimmrecht, sind aber besonders für kleinere Ratsfraktionen bei der Ausschussarbeit unersetzlich und so etwas wie eine kleine Personalreserve: Sachkundige Bürgerinnen und Bürger. Für ihren Einsatz werden sie finanziell entschädigt. Nimmt ein Sachkundiger zur Vorbereitung auf „seinen“ Ausschuss an einer Fraktionssitzung seiner Partei teil, so erhält er dafür 30,50 Euro. Weiß Gott nicht viel – es sei denn, man nimmt an ganz, ganz vielen Sitzungen teil. Wie die neun Frauen und Männer, die für die rechtspopulistische Pro NRW-Fraktion in Ausschüssen unterwegs sind.
Alles zusammenaddiert haben die neun Leute (2010 waren es noch sechs) im vergangenen Jahr an 542 Sitzungen (2010: 409) teilgenommen. Macht unter dem Strich 16 348 Euro.
Zum Vergleich: Die ebenfalls dreiköpfige FDP-Ratsfraktion hat vier Sachkundige Bürger, die 2011 zusammen auf 59 Fraktionssitzungen und äußerst bescheidene 1799,50 Euro kamen. Die vierköpfige Ratsmannschaft der Grünen wird von sieben Sachkundigen Menschen unterstützt. Die haben insgesamt 140 Sitzungen gestemmt. Macht 4300 Euro für alle. Wovon die Empfänger einen Teil des Geldes an die Partei abführen.
„Es liegt der Verdacht des Missbrauchs nahe“
Da fällt es schon auf, wenn ein Sachkundiger von Pro NRW im Einzelfall 85 Sitzungsteilnahmen (umgerechnet 2592,50 Euro) geltend machte. Das stößt SPD-Fraktionschef Klaus Haertel sauer auf. „Es liegt der Verdacht des Missbrauchs nahe“, sagte er zur WAZ. Und, so sein Eindruck: „Der inhaltliche Output ist gleich Null.“ Zwölf Sachkundige Bürger hat die SPD-Fraktion. „Selbstverständlich dürfen die an allen Fraktionssitzungen teilnehmen“, so Haertel. Abgerechnet würden aber nur solche Treffen, die tatsächlich der Vorbereitung auf einen Ausschuss des jeweiligen Sachkundigen dienen.
Natürlich sind die Abrechnungsspitzen von Pro NRW auch der Stadt nicht entgangen. Ganz im Gegenteil. „Man müsste beim Arbeiten schon die Hände vor die Augen halten, um das nicht zu bemerken“, sagte Jörg Kemper, Leiter des städtischen Referats für Ratsangelegenheiten, gestern auf Anfrage der WAZ. Bereits im März 2011 habe die Stadt darauf hingewiesen, dass die bezahlte Teilnahme an Fraktionssitzung die Vorbereitung auf einen Ausschuss unbedingt voraussetze.
SPD-Fraktion begrüßt Beschränkung
Seither müssen Sachkundige Bürger diese Erfordernis bei jeder einzelnen Sitzungsanwesenheit per Unterschrift bekunden. Pro NRW-Fraktionschef Kevin Hauer hatte vergeblich versucht, diese Maßnahme über die Kommunalaufsicht in Münster auszubremsen. Aber: Die Stadt war und ist auf der rechtlich sicheren Seite.
Die schriftlichen Einzelnachweise der Mandatsträger änderten allerdings an den auffällig häufigen Sitzungsteilnahmen nichts. Es gebe, so Kemper, sechs Beratungszyklen. Eigentlich hieße das, im Normalfall könnte die Teilnahme an zwölf Fraktionssitzungen ausreichend sein.
Das Problem dürfte in naher Zukunft gelöst werden. Denn mit der Verabschiedung der überarbeiteten Hauptsatzung der Stadt Gelsenkirchen in der nächsten Sitzung des Rates wird die Entschädigung für Sachkundige Bürger auf 35 Fraktionssitzungen jährlich gedeckelt. Eine Beschränkung, die die SPD-Fraktion ausdrücklich begrüßt.