Gelsenkirchen/Essen.

Das Landgericht Essen kennt der 74-jährige Gelsenkirchener zur Genüge. Als Handelsrichter in schwarzer Robe urteilte der Unternehmer über Streitfälle in der Geschäftswelt. Jetzt sitzt er wieder im Gericht, allerdings vor dem Strafgericht. Er muss sich wegen hinterzogener Zollgebühren verantworten.

In der Zeit von 2003 bis 2007 beträgt der Schaden durch aus China importierte Ware laut Anklage rund 570.000 Euro. Angesichts eines Anteils von ein bis vier Prozent des Gesamtumsatzes seiner Firma könne er sich diese Tat nicht verzeihen, ließ der 74-Jährige durch seinen Verteidiger Martin Meinberg vortragen.

Es ist nicht irgendein Unternehmen, das der promovierte Jurist als Gesellschafter vertritt. 1903 gegründet, wuchs der Mitarbeiterstamm des Familienbetriebes auf bis zu 700 Mitarbeiter in Spitzenzeiten an, nachdem der Angeklagte, Enkel des Gründers, das Unternehmen 1968 übernommen hatte. Spezialisiert ist es auf Herstellung und Vertrieb von Rohrzubehör, also Flansche, Fittings, Reduzier- und T-Stücke.

Anti-Dumping-Zölle

In China gibt es die Rohrformstücke deutlich billiger. Deshalb hat die EU diese Ware mit Anti-Dumping-Zöllen in Höhe von 58,6 Prozent belegt, falls die Stücke in die EU eingeführt werden.

Laut Anklage umging das Unternehmen mit Wissen des Chefs, eines Geschäftsführers und einer Prokuristin die Zollabgabe. 53 beziehungsweise 43 Jahre alt sind diese beiden, die die „ehrenwerte“ Anklagebank vor der I. Strafkammer ergänzen und sich wegen Beihilfe verantworten müssen. Die Masche der Firma: Sie ließ die Schiffe mit den in China gefüllten Containern nach Japan fahren. Dort gab es neue Papiere, danach fuhren die Schiffe zum Überseehafen im belgischen Antwerpen. Jetzt galt die Ware als japanische, für die keine Anti-Dumping-Zölle erhoben werden.

Vorwürfe akzeptiert

Als der Schmuggel aufflog, änderte die Gelsenkirchener Firma ihre Strategie: Fortan fuhren die Schiffe aus China erst Indien an und brachten die jetzt angeblich aus Indien stammende zollfreie Ware nach Rotterdam. Auch über Hamburg kamen die Rohrformstücke ins EU-Gebiet.

Früh hatte der 74-Jährige in Holland und Belgien Strafen gezahlt, auch die Zollgebühren überwiesen. Im Strafverfahren kündigte er im Sommer über seinen Anwalt ein Geständnis an, bekam dafür von der Kammer zwei Jahre Haft mit Bewährung als Höchststrafe zugesichert. So überraschte es nicht, als der Verteidiger das Geständnis vorlas: „Ich akzeptiere die Vorwürfe der Anklage, es ist meine Verantwortung.“ Ausdrücklich betonte er, dass die Zollabgaben auf die eingeführte Ware berechtigt sind. Er spricht auch seine gesundheitlichen Probleme an, die ihm laut ärztlichem Attest nur vier Stunden Verhandlung pro Prozesstag ermöglichen: „Ich will mich der Verantwortung nicht entziehen und stelle mich dem Verfahren trotz dieser Probleme.“

In der Erklärung heißt es weiter, dass er sich schützend vor seine Mitarbeiter stellen will. Seit 33 Jahren sei der Geschäftsführer in der Firma beschäftigt, seit 22 Jahren die Prokuristin. Stockend, fast unter Tränen, ergänzt der angeklagte Unternehmer die Erklärung des Verteidigers: „Was ich besonders bedauere, ist, dass diese beiden Mitarbeiter mit reingezogen wurden.“