Gelsenkirchen.

11. September 2001. Der SPD-Landtagsabgeordnete (und erfahrene USA-Tourist) Frank Baranowski weilt auf Einladung des US-Außenministeriums mit einer Landtagsdelegation im Regierungsviertel Washingtons, als der American Airlines-Flug 77 in seiner Nähe ins Pentagon rast.

10 Jahre nach dem Vorfall sprach WAZ-Mitarbeiter Tobias Mühlenschulte mit dem OB über seine Erinnerungen, die Folgen des Anschlags und sein persönliches Verhältnis zu den USA.

Herr Baranowski, wie haben Sie den 11. September 2001 in Washington erlebt?

Frank Baranowski: Dieser Tag hat sich in meinen Erinnerungen festgebrannt. Es war ein Tag der Widersprüche: Das schöne Wetter und den blauen Himmel sehe ich heute immer noch. Und auf der anderen Seite eine Bedrohungssituation, die erst relativ unkonkret war und sich erst im Laufe des Nachmittags konkretisierte, als klar wurde, was da passiert ist. Die Situation hat mein Amerika-Bild verändert und hat mir – als jemand, der 1962 geboren ist und nicht zur Kriegs-Generation gehört – deutlich gemacht, dass man doch verwundbar und verletzbar ist.

Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen. Wie denken Sie heute über das Ereignis?

Baranowski: Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Auch die Tatsache, dass ich auf den Stufen des Capitols gesessen habe, hat mir klar gemacht, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Die Maschine ist ja in der Nähe von Pennsylvania abgestürzt und als mögliche Ziele gelten das Weiße Haus oder eben das Capitol.

Sie sind früher regelmäßig in die USA gereist. In einem WAZ-Interview im September 2006 sagten Sie, dass Ihre US-Reiselust durch die verschärften Sicherheitsbestimmungen geschmälert worden war. Hat sich daran etwas geändert?

Baranowski: Ich habe USA-Reisen konsequent gemieden, so lange George Bush Präsident war. Im letzten Jahr war ich mal wieder in den USA. Aber ich bin gegenüber dieser fast schon Sicherheits-Paranoia, die man da spürt, sehr distanziert.

Das Sicherheitsdenken ist weltweit hochsensibel geworden. Halten Sie das für generell übertrieben?

Baranowski: Ich kann gut damit leben. Ich finde es nach allem, was passiert ist, schon konsequent, wenn man mehr Obacht gibt. Aber während der Bush-Administration gab es in den USA Sicherheitsvorkehrungen, die nicht transparent waren: Datenabgleiche und ähnliches. Das meine ich mit Sicherheits-Paranoia. Das, was gemeinhin an den Flughäfen passiert, halte ich angesichts dessen, was geschehen ist, für konsequent. Aber in die USA reise ich mit einer gehörigen Portion Bauchgrummeln.

Haben sich die Anschläge auch auf Gelsenkirchen ausgewirkt?

Baranowski: Wir sind uns unserer Werte als weltoffene Stadt stärker bewusst geworden. Die Interkulturalität – gerade in einer Stadt wie Gelsenkirchen mit einer so bunten Bevölkerung – muss gepflegt werden. Und natürlich haben die Anschläge auch Auswirkung auf die Abläufe, wie man im Falle eines Falles reagiert – etwa als Behörde.

Glauben Sie, dass Gelsenkirchen ein Ziel für einen terroristischen Anschlag sein könnte?

Baranowski: Eine konkrete Bedrohung gibt es nicht. Aber wer so etwas prinzipiell ausschließt, handelt unverantwortlich. Und wer so etwas herbeiredet ebenso. Seit dem 11. September 2001 ist klar, dass es absolute Sicherheit nirgendwo auf der Welt gibt.

Denken Sie, dass Friedensfeste, wie etwa das am morgigen Sonntag auf dem Margarethe-Zingler-Platz, das von Juden, Muslimen und Christen gemeinsam gefeiert wird, nachhaltig zu einem friedlichen, interreligiösen Miteinander beitragen kann?

Baranowski: Es handelt sich immer um einzelne Mosaik-Steinchen, die gesetzt werden. Alleine macht es noch nicht das Bild. Es bedarf noch vieler solcher Mosaik-Steinchen, um das Bild einer friedlichen Gesellschaft zu realisieren. So ein Fest drückt eher eine Haltung aus.