Gelsenkirchen.
Da hatten sich die WAZ-Leser genau das richtige Wetter ausgesucht für einen Wassertest: Schweißtreibende 27 Grad zeigte das Thermometer, in den Redaktionsräumen an der Ahstraße war es sogar noch ein paar Grad heißer. Kühles prickelndes Wasser als Erfrischung kam da gerade recht.
Auch, wenn es hier ausnahmsweise mal nicht ums Genießen, sondern um eine durchaus schwierige Aufgabe ging. Galt es doch, sieben handelsübliche Mineralwässer vom „Gelsenwasser“ aus dem Kran der Redaktionsküche zu unterscheiden. Auch dieses Wasser war natürlich vorab mit Kohlensäure versetzt worden, damit es ordentlich sprudelte. Rein äußerlich war bei den Wässerchen also kaum ein Unterschied zu erkennen. Und was sagen die Geschmacksnerven? Kann man wirklich einen Unterschied schmecken zwischen edlem französischem Chateldon 1650 Premium-Wasser, das angeblich schon Ludwig der XIV. getrunken hat, und ganz gewöhnlichem Kraneberger aus Gelsenkirchen?
Neugierige Tester
Die Testgruppen waren neugierig - Redaktion und Felix A. Wirtz, der die Unternehmenskommunikation bei Gelsenwasser leitet, natürlich auch. Das Unternehmen, das sämtliche Haushalte in Gelsenkirchen mit Trinkwasser beliefert, hatte die Studie des Instituts für empirische Sozial- und Kommunikationsforschung in Auftrag gegeben. Getestet wurde in vier Gruppen von fünf bis sechs Teilnehmern. Und kaum waren die ersten Tabletts mit jeweils acht nummerierten Gläsern hereingetragen, da machten sich auch schon die ersten Wasserexperten ans Werk: Eine rein weibliche Delegation der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) aus Gelsenkirchen-Mitte und Buer wagte als erstes den Sprung ins kalte Wasser, oder besser: ans Wasser.
Proben Nummer 1 und 2 wurden relativ unspektakulär geschluckt, bei Glas Nummer 3 verzog die erste Teilnehmerin das Gesicht - sagen durfte sie über ihr Urteil in der Runde allerdings nichts sofort, denn Dr. Uwe Pöhls vom Institut für empirische Sozial- und Kommunikationsforschung IESK wachte akribisch darüber, dass das Testergebnis nicht durch Gruppenabsprachen verfälscht werden konnte.
So war es während der Testrunde mucksmäuschenstill wie bei einem Vokabeltest - Gläser wurden geschwenkt, unter die Nase gehalten und der transparente Inhalt auf Geruchs- und Geschmacksauffälligkeiten überprüft. „Immerhin riecht es nicht nach Chlor“, stellte Heiko Venohr von der DLRG fest, der sonst natürlich hauptsächlich mit Schwimmbadwasser zu tun hat. Kritisch gingen auch seine fünf Kolleginnen Heike Krallmann, Patricia Schwabach, Grete Rockel, Andrea Roling und Yvonne Pieper mit den Wässerchen ins Gericht. „Auch wenn das finnische Wasser so teuer ist, schmeckt es doch auch nur nach Wasser“, betonte etwa Heike Krallmann nach der Testauflösung.
Gelsenwasser-Fans
Mit ganz bestimmten Erwartungen waren die WAZ-Leser zum Wassertest gekommen. „Ich trinke etwa viereinhalb Liter Mineralwasser pro Tag und möchte einfach mal wissen, was ich da trinke“, erklärte Angela Doering. „Mich interessiert, ob man wirklich Unterschiede zwischen dem Markenwasser und dem Leitungswasser rausschmecken kann“, fügte Klaus-Dieter Schäfer hinzu.
„Ich mache beruflich oft Wassertests mit Grundschulkindern und wollte einfach mal wissen, wie so ein professioneller Test hier abläuft“, erzählte WAZ-Leser Lothar Franken. Ingrid Neumann, Maria Schilling, Peter Bär und Christa Quenkert outeten sich schon vor Testbeginn als „absolute Gelsenwasser-Fans“: „Ich fülle mir jeden Morgen gleich zwei Flaschen frisch ab “, sagte auch Erika Sessler. Und während die WAZ-Leser sich richtig viel Zeit nahmen beim Ausfüllen der Testbögen, machten die vier Auszubildenden des Marriott-Courtyard-Hotels, die in Begleitung von Verkaufsleiter Tobias Lollert vorbei kamen, kurzen Prozess.
Keine eindeutigen Favoriten
„Wassertesten ist eigentlich nicht Teil der Ausbildung bei uns“, gab Lollert zwar vorab zu Protokoll. Trotzdem gaben die Hotelfachprofis alles. Sorgfältig hielten sie die Gläser gegen das Licht und ließen sich das Wasser auf der Zunge zergehen. „Die Nummer 5 schmeckt frisch“, erklärte Nadine Nowotka. „Nee, also das ist alles andere als frisch“, widersprach ihr Tobias Lollert. Daniel Kiwitt wünschte sich „Etwas Kaffee zwischendurch zum Neutralisieren“ und stellte nach dem achten Glas fest: „Also, Wasser-Sommelier werde ich ganz bestimmt nicht. Das ist mir viel zu dröge.“ Sein Kollege Alexander Drusdaties pflichtete ihm bei. Und selbst Sarah Czorny, die sehr gewissenhaft testete, schmeckte das Gelsenwasser nicht heraus. „Ich habe das als hochwertiges Mineralwasser angekreuzt“, sagte sie überrascht.
Das war übrigens auch der Punkt, in dem es die meisten Übereinstimmungen zwischen den Probanden gab: Eindeutige Geschmacksfavoriten bei den Mineralwässern gab es nämlich nicht, keiner der Tester erriet jedoch, welches Glas das Leitungswasser enthielt. Felix A. Wirtz freute sich genau darüber: „Wir wollten ja beweisen, dass unser Wasser es geschmacklich durchaus mit teurem Luxuswasser aufnehmen kann, um das ein unglaublicher Hype gemacht wird“, erklärte er. Insofern hieß es für Gelsenwasser: Test bestanden - auch wenn es nicht (ganz) für den ersten Platz gereicht hat...
DIE GETESTETEN WASSERSORTEN:
Die Flasche, die Quelle, der Abfüllort – all das spricht nicht direkt für das richtige Mittel gegen großen Durst, sondern eher für Hochprozentiges mit besonderer Note, für alte Eichenfässer, für Pub-Kultur und rauchig-torfigen Geschmack. Speyside Glenlivet wird dort abgefüllt, wo sonst Whisky reift – in Schottland. Statt Single Malt kommt rund 1000 Kilometer von Gelsenkirchen entfernt natürliches Mineralwasser in die Flasche, fein gefiltert durch die Granitfelsen von Cairngorm. Mit 4,90 Euro pro Liter kostet das Wasser in etwa so viel wie ein Gläschen Malt Whisky.
In der Vulkaneifel wird ein Klassiker produziert: Gerolsteiner Medium. Auf dem Weg durch die Gesteinsschichten reichert sich das Wasser mit Mineralien an. Mit 885 mg pro Liter ist Gerolsteiner höher mineralisiert als viele Produkte der Konkurrenz. Der Preis: mit durchschnittlich 49 Cent pro Liter eher Mittelfeld.
So ein Tröpfchen bekommt man nicht alle Tage auf die Zunge: In Finnland, nicht weit vom Polarkreis entfernt, liegt die Quelle in Konisaajo, aus der seit 2006 Veen gewonnen wird. Veen hört sich eher nach Kunstwort und Energie an, steht als Kürzel aber für „Veen Emonen“, was im Finnischen so viel wie „Die Mutter des Wassers“ bedeutet. Die Flasche wurde auf Lifestyle getrimmt und wurde 2009 für einen Designerpreis nominiert. Das alles hat seinen Preis. In diesem Fall 11,90 Euro pro Liter.
Im Oldenburger Land wurde der nächste Proband in Flaschen gefüllt. Saskia Classic Medium zählt zu den typischen Discount-Produkten und wurde für den Test für 13 Cent pro Liter in der PET-Flasche gekauft. Saskia gilt als natriumarm.
Angeblich hat sich der französische Sonnenkönig Ludwig der XIV. schon dieses Quellwasser kredenzen lassen. Chateldon 1650 heißt es, ist besonders weich und hat eine leichte Süße. Geschmacksexperten machen gar einen Hauch Melisse aus. In dem kleinen Ort, 880 Kilometer von Gelsenkirchen entfernt, werden angeblich nur 700 000 Flaschen pro Jahr abgefüllt.
Chateldon 1650 gilt bei unseren Nachbarn als Rolls Royce des Wassers. Der Herrenbeschleuniger ist auch nicht für einen Spottpreis zu haben. Entsprechend teuer ist das Wasser: 9,20 Euro pro Liter.
Aus dem Hause Rewe stammt die Discount-Marke ja!. Unter anderem Namen kann man das Wasser auch bei Penny oder z. B. Aldi kaufen. Billig ist es hüben wie drüben – 13 Cent pro Liter. Das Testwasser wurde in Duisburg abgefüllt.
Dieses Wasser gehört zum Italiener wie Penne,Pizza und Piazza: San Pellegrino. Seit 1899 wird das Mineralwasser bevorzugt für die gehobene Gastronomie aus der bereits seit dem Mittelalter bekannten Quelle abgefüllt und mittlerweile in 110 Ländern vertrieben. San Pellegrino gehört dem Weltkonzern Nestlé. Benannt ist es übrigens nach einem Märtyrer, dem Bischof von Auxerre. Was nichts über die Qualität sagen dürfte... Kosten: 1,80 Euro pro Liter.
Bleibt der „Lokalmatador“. In Haltern am See gewinnt Gelsenwasser sein Trinkwasser für Gelsenkirchen. Nach einer mehrwöchigen biologischen Aufbereitungsphase landet es im Rohrnetz. Bis ins Gelsenkirchener Zentrum hat das Wasser rund 35 Kilometer umweltschonend zurückgelegt. Beim Preis ist es unschlagbar – mit 0,002 Euro pro Liter. 1000 Liter des „bestkontrollierten Lebensmittels“ kosten also gerade mal 2 Euro.
DAS TESTURTEIL:
Geschmacklich waren die Teilnehmer in punkto Wiedererkennungswert beim Test 2011 nicht so geschmackssicher wie im Vorjahr. 2010 erkannten zehn der 23 Teilnehmer „ihr“ Leitungswasser, diesmal keiner. Vielleicht hat die aufgesprudelte Version die Erinnerung überdeckt... Das teuerste Wasser landete übrigens auf dem letzten Platz...
Das Ranking und die Noten:
Platz1
San Pellegrino
Italien
Note 2,52
Platz 2
Speyside Glenlivet
Schottland
Note 2,71
Platz 3
Gelsenwasser
WAZ-Redaktion
Note 2,71
Platz 4
Saskia Classic Medium
Deutschland
Note 2,9
Platz 5
Chateldon 1650
Frankreich
Note 2,95
Platz 6
Gerosteiner
Deutschland
Note 3
Platz 7
ja!
Deutschland
Note 3
Platz 8
Veen
Finnland
Note 3,1