Werdohl. .
Rainer Niggemann und Werner Schade nehmen einen ordentlichen Schluck: Kühl und frisch ist das Quellwasser aus dem Wald oberhalb der Kettenbecke. Und es ist von bester Qualität, wie sich die Kettlinger Wassergenossenschaft alle vier Wochen vom Hygieneinstitut Gelsenkirchen und alle zwei Jahre von der unteren Wasserbehörde bestätigen lässt. 90 Haushalte werden von der eigenen Quelle des Wohngebiets versorgt.
Härtegrad I. Das ist ein Traum für Nutzer von Waschmaschine und Freunde von Tee und Kaffee. „Stilles Mineralwasser aus dem Getränkemarkt braucht eigentlich am Kettling niemand zu kaufen”, erklärt Werner Schade, Geschäftsführer der Wassergenossenschaft. Das weiche Wasser vor Ort ist so angenehm in Geschmack und so weich, dass die Haushaltsgeräte am Kettling keine Entkalker benötigen.
Und es ist ungechlort. Von Natur aus ist das Quellwasser so rein, dass die UV-Anlage lediglich eine Auflage ist, die die Wassergenossenschaft erfüllt.
Aus dem Vorratsbecken fließt das Wasser um ein Glasrohr, das von innen mit UV-Licht bestrahlt wird. Das Licht tötet Keime und Bakterien ab – sofern diese überhaupt vorhanden sind. Das Prinzip ähnelt dem einer Höhensonne.
Dreht ein Anwohner am oberen Berg des Kettlings den Hahn auf, erreicht ihn das Trinkwasser mit einem Druck von vier Bar. Am unteren Kettling hat es durch das Gefälle so viel Fahrt aufgenommen, dass hier Kräfte von acht Bar wirken. „Den Anwohnern dort empfehlen wir ein Druckminderungsventil”, erklärt Rainer Niggemann, Betriebsleiter der Wassergenossenschaft. Der Berg ist die natürliche Pumpe der Anwohner.
Die wissen „ihr” Wasser zu schätzen. Eine Alternative gibt es für sie auch nicht.
Die Gründe dafür gehen bis ins Jahr 1937 zurück. Bis dahin wurden die wenigen Häuser in dem kleinen Wohngebiet mit einer Wassergewinnungsanlage und Einzelbrunnen versorgt.
Die Qualität ließ zu wünschen übrig. Eine Erschließung ans öffentliche Wassernetz war für die Stadt nicht lukrativ genug. So besannen sich findige Bürger der zwei Quellen, die ein Siegener Wünschelrutengänger der Legende nach entdeckt haben soll. Der Mann aus Siegen ist Legende, die Quellen „Kettenbecke” und „Unterm Baum” nicht. Letztgenannte ist bis heute die Hauptquelle der 90 Haushalte, die von dem unterirdischen Wasser profitieren. Tageslicht sieht dieses Wasser nur, wenn es aus dem Hahn läuft.
Mit dem zwölf Kubikmeter fassenden Behälter kam die kleine Genossenschaft irgendwann nicht mehr aus. Zu viele Bürger hatten den Kettling als attraktiven Baugrund entdeckt. 1959 folgte der Bau eines 70 Kubikmeter fassenden Hochbehälters. Bis in die 80er Jahre wurde das Wasser mit Chlor aufbereitet, dann wurde die hochwertige UV-Anlage gekauft. 1987 wurde aus der GbR eine GmbH.
Bei 1,30 Euro pro Kubikmeter werden die gerade mal drei Mitglieder der Genossenschaft nicht reich: „Wir stecken nur Herzblut in unser Wasser und rechnen mit einer schwarzen Null am Ende des Jahres”, erklären Werner Schade und Rainer Niggemann. Sie nehmen in regelmäßigen Abständen an Kleinwasserwerkschulungen teil.
„Da kommen in der Regel 20 bis 30 Teilnehmer hin. Es gibt noch Wohnhäuser in abgelegenen Gegenden, die auf ihr eigenes Quellwasser angewiesen sind”, erläutert Rainer Niggemann. Er selbst ist auch durch seinen früheren Beruf bestens mit Wasser vertraut. 30 Jahre lang war er bei den Stadtwerken tätig. Konkurrenz hat er seinem Arbeitgeber aber nie gemacht: 90 Prozent des Versorgungsnetzes am Kettling ist auf privatem Grund gebaut. Die Stadtwerke helfen den Kettlingern auch mit einem Notbehälter aus.
Vielleicht müssen die Anwohner eines Tages aber doch beim öffentlichen Versorger anklopfen, denn sowohl Werner Schade als auch Rainer Niggemann haben ihre Ämter in der Genossenschaft geerbt. Kunden sind nicht automatisch Mitglieder. Nachfolger keine in Sicht. „Wir wissen nicht, was mit der Anlage passiert, wenn wir mal nicht mehr sind”, berichten die Funktionäre. Um das schöne Wasser wäre es auf jeden Fall schade…