Gelsenkirchen. . Panik, Verletzte, Ansteckungsgefahr: Mit diesen Schwierigkeiten mussten die Mitarbeiter des Rescue Education Center im Wissenschaftspark bei einer Erdbeben-Übung zurechtkommen. Die Situation geriet schnell außer Kontrolle.
Um 10.15 Uhr bebte am Sonntag in Ückendorf die Erde. Im Wissenschaftspark an der Munscheidstraße wurden bei der verheerenden Katastrophe zwei Menschen getötet und 19 Menschen verletzt, drei davon schwer. Die Situation an der Munscheidstraße war auch nach dem Eintreffen der Sicherheitskräfte außer Kontrolle. Zum Glück war alles nur eine Übung.
Das im Wissenschaftspark ansässige Rescue Education Center hatte mit einem MANV, einem „Massenanfall an Verletzten“ den Ernstfall geprobt. Die Schüler der Rettungsschule mimten dabei nicht nur die Verletzten, sondern auch die Rettungsassistenten und Notärzte. Unterstützt wurden sie vom Arbeiter-Samariter-Bund Herne-Gelsenkirchen. Und dabei lief einiges schief.
Als das erste Rettungsteam am Haupteingang eintrifft, werden sie von aufgebrachten Überlebenden aufgehalten. Alle rufen durcheinander, die Panik ist perfekt: „Jetzt machen Sie doch was! Helfen Sie uns“. „Die Frau ist hochschwanger, sie braucht Hilfe!“ „Hey, nicht weglaufen!“ Im Hintergrund hallen die Hilfe- und Schmerzensschreie der Verletzten durch die mehrere hundert Meter langen Glasarkaden.
Spezial-Anzüge wegen Infektionsgefahr
Einer der Schwerverletzten liegt in Pavillon 7 im Erdgeschoss. Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma wird es später heißen, wenn die Sanitäter ihre Erstversorgung gemacht haben. Eine andere Person ist im Treppenhaus gestürzt - Wirbelsäulentrauma. Und im Keller wurde jemand verschüttet und hat dabei einen offenen Unterschenkelbruch erlitten. Noch dazu funktioniert im Keller das Licht nicht mehr. Ein weiterer Schwerverletzter spricht ausschließlich Englisch, ein anderer wird später äußern, dass er an Offener Tuberkulose leidet und damit eine Ansteckungsgefahr für die behandelnden Hilfskräfte bedeutet. Als diese davon erfahren, ziehen die Desinfektoren sich ihre Spezial-Anzüge an.
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Eigentlich soll das erste Rettungswagen-Team dafür sorgen, dass die teilweise unter Schock stehenden Personen nicht mehr ins Gebäude zurück- und zur Ruhe kommen, um sie nach den Stellen zu fragen, an denen die Verletzten liegen. „In letzter Konsequenz haben Sie richtig Angst. Rufen Sie die Namen der Verletzten durcheinander. Es soll nicht klar werden, wie viele Personen hier sind“, hatte Einsatzleiter Deniz Saribay im Vorfeld gefordert.
Mit Erfolg: die Menschen in Panik belagern die Rettungskräfte, zerren sie ins Gebäude , laufen unkoordiniert herum. „Was ist hier passiert? Haben Sie gesehen, wo Verletzte liegen?“ - Die Fragen prallen an den Panischen ab. „Ganz ruhig, ich werde bei Ihnen als Gruppe bleiben“ oder „Ganz ruhig, nicht brüllen“, verfehlen eben so ihre Wirkung.
"Die Situation ist außer Kontrolle"
Nach und nach treffen weitere Rettungseinheiten ein, ein Einsatzleitwagen übernimmt vor dem Gebäude die Koordination der einzelnen Teams per Funk und hinter dem Wissenschaftspark baut ein Team vom Katastrophenschutz ein Zelt für die Verletzten auf.
„Das erste Team hat definitiv Fehler gemacht, die alles verzögert haben. Die Situation ist außer Kontrolle“, sagt der Einsatzleiter. Jeder Rettungsdienstleiter müsse mit so einer Situation klar kommen können. „Wer hier versagt, auf den müssen wir im Unterricht besonders eingehen.“ Denn: „Jeder Tote ist ein Prüfungsdurchfall.“ Ursprünglich war als Übung ein Brand geplant. Aber der Nebel hätte die Feuermelder ausgelöst.