Gelsenkirchen. Die Premiere von “Zar und Zimmermann“ steht auf dem Programm des Musiktheaters im Revier. Zunächst hatte Regisseur Roland Schwab seine Bedenken bei dem Stück. Nun hat er die Figuren neu inszeniert - und ist mehr als zufrieden.

„Es ist gut und wichtig“, meint Roland Schwab, „wenn ein Intendant hartnäckig bleibt und nicht gleich beim ersten Widerstand seinen Vorschlag zurückzieht.“ Sonst stünde am kommenden Samstag wohl kaum die Premiere von „Zar und Zimmermann“ auf dem Programm im Großen Haus.

Ursprünglich hatte der Regisseur nämlich, wie man so schön sagt, absolut Null Bock auf eben diesen Lortzing. Alle möglichen Spielopern hat er Michael Schulz stattdessen schmackhaft zu machen versucht, aber der wollte um jeden Preis „Zar und Zimmermann.“

Inzwischen ist Schwab froh und dankbar, dass Schulz ihn in „diese wichtige Schule“ geschickt hat. „Zar und Zimmermann“, dieses 1837 entstandene Verwirrspiel um die zwei Peter (Zar aller Russen der eine, russischer Deserteur der andere), die in der holländischen Hafenstadt Saardam aus unterschiedlichen Gründen ihre Identität verbergen müssen – „das Ensemble muss da durch“, sagt Schwab, „und die Regie muss da durch“.

"Wir wollen Peter dem Großen zu seinem Recht verhelfen“

Wie ist er denn da durch gekommen, wie hat sich seine Einstellung im Zuge der Be-schäftigung mit dem Stück, mit dem Genre Spieloper geändert? Und was erwartet den Zuschauer am 26. März?

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„Den erwartet Irritation, und die ist auch dringend nötig.“ Albert Lortzings Provinzposse gilt vielen als zu gemütlich, zu harmlos, zu bieder(meierlich). Der spielerische Umgang mit dem Genre Spieloper, meint Schwab, muss deshalb auch ein subversiver Umgang sein. „Die satte Komik um den tumben Bürgermeister van Bett wirkt auf der Bühne natürlich immer.“ Schwieriger ist es, dem Zaren zu entsprechen. „Der geht hinter dieser Bürgermeister-Karikatur oft verloren. Er hat kein Aura-Feld. Wir wollen Peter dem Großen zu seinem Recht verhelfen und zeigen ihn als irritierenden Gegenpol.“

Lortzing, der auch das Libretto schrieb, geht mit der historischen Figur ziemlich gnädig um, was ihm schon bei der Uraufführung verübelt wurde.

Mossolows Maschinenmusik verweist auf das wahre Gesicht des Herrschers

Das Bild ist ein anderes, meint Dramaturgin Anna Melcher, wenn man zum Beispiel weiß, dass Peters beschauliches Holland-Kapitel (der Zar hatte tatsächlich in Saardam als Zimmermannsgeselle gearbeitet, um sich mit neuen Techniken des Schiffsbaus vertraut zu machen) zeitlich zwischen zwei brutalen Massakern in Russland liegt. Dass der Zar sehr wohl ein Despot mit enormen psychischen Defekten und moralischen Defiziten war. Diesen Gegensatz will Schwab nicht nur szenisch betonen; er wird auch „musikalische Reibungspunkte“ setzen. Ein paar immer wiederkehrende, brachiale Takte aus dem „Stahl“-Ballett von Alexander Mossolow (1900-1973), vom Band zugespielt, sollen bei einigen Zar-Szenen die historische Wirklichkeit hinter dieser fröhlich-heilen Welt durchscheinen lassen. Lortzing, von der Neuen Philharmonie Westfalen unter Leitung von Heiko Mathias Förster gespielt, ist für Schwab so etwas wie die „Tarnmusik“ für Peter. Mossolows Maschinenmusik verweist auf das wahre Gesicht des Herrschers. „Wenn man dem voll entsprechen wollte“, meint Schwab, „dann müsste es auf der Bühne eigentlich crashen.“