Gelsenkirchen. .

Übergewicht kann der Karriere schaden – gerade bei Jobs mit viel Kundenkontakt. Gastronomen in Gelsenkirchen setzen bei ihren Kellnern jedoch weniger auf Modell-Maße als auf Charme und ein gepflegtes Erscheinungsbild.

Was für den einen die Suche des Bauern nach einer Ehefrau ist, ist dem anderen RTL-Sternekoch Christian Rach aus Hamburg, der bekanntlich auch in Gelsenkirchen bereits ein Restaurant wieder auf Vordermann gebracht hat. In seiner neuen Serie „Rachs Restaurantschule“ bietet er jetzt einem guten Dutzend Sorgenkindern vom Arbeitsmarkt eine Chance, bei ihm in Hamburg doch noch Fuß zu fassen: Eine Kochlehre oder Lehre als Servicekraft im neuen Chilehaus winken den Teilnehmern. Mit dabei ist auch die 20-jährige Rena aus Gelsenkirchen.

Sie ist seit zwei Jahren Hartz-IV-Bezieherin und schon in der zweiten Fernsehfolge am Ende ihrer Kräfte und Reserven: Nach einem halben Tag hinter dem Herd schmerzen ihre Füße. Was kaum wundert, denn die 20-Jährige bringt 135 Kilo auf die Waage und sieht in Rachs Angebot ihre letzte Chance. Als Servicekraft will sie arbeiten, weniger in der Küche. Aber kann sie den körperlich harten Anforderungen, die gerade an diese Berufsgruppe gestellt werden, überhaupt standhalten?

Mit 135 Kilo ist der Service kein Zuckerschlecken

Christian Rach zeigte ihr klar auf, was sie als Servicekraft körperlich stemmen muss. „Zehnmal in einer halben Stunde mit vollem Tablett diese Treppe ‘rauf und ‘runter.“ Mit 135 Kilo nicht nur kein Zuckerschlecken, ein Ding der Unmöglichkeit. Der Sternekoch riet Rena, ihren Pfunden schrittchenweise Zuleibe zu rücken („ein Pfund pro Woche“), um körperlich mithalten zu können. Nicht der Optik wegen, unter den Teilnehmern sind so einige Pfundskerle.

Werden übergewichtige Arbeitssuchende wie Rena allein schon wegen ihres Gewichts zwangsläufig zum Verlierer auf dem Arbeitsmarkt? Werden sie wegen ihrer Kilos abgelehnt oder schaffen sie die körperlichen Anforderungen mancher Berufe mit ihrem körperlichen Ballast einfach nicht?

Durchhalte-Parole gilt für alle im Service

Susanne Schnieber von der Agentur für Arbeit, verneint Vorurteile. Es gäbe sehr, sehr viele Beispiele, in denen „Nicht-Cindy-Crawfords“ erfolgreich vermittelt wurden. Das Gewicht allein sei wohl kaum ausschlaggebend, wenn ein Bewerber eine Stelle nicht bekomme. Wer den Qualitätsanforderungen entspräche, der scheitere nicht an seinen Pfunden. Allerdings hüten sich Arbeitgeber, gegebenenfalls figürliche Ablehnungsgründe offen auf den Tisch zu legen, weil sie damit eindeutig gegen das Antidiskriminierungsgesetz (AGG), auch Gleichstellungsgesetz genannt, verstoßen. Gegen eine solche „Auswahl“ könnten sich Betroffene nämlich vor dem Arbeitsgericht wehren.

Wenn Übergewichtige einen Job nicht bekämen, könnte dies also viele Gründe haben, vielleicht sind andere Bewerber besser, verfügen über höhere fachliche Qualifikationen. Wer seine Ablehnung allein auf seine Figur zurück führe, der mache es sich möglicherweise auch zu leicht.

Haben dicke Kellner/-Innen wirklich keine Nachteile, wenn sie sich auf eine Stelle bewerben? Gelten pfundige Kellner/-Innen automatisch geschäftsschädigend, nur weil sie nicht Hollywoods Traummaßen entsprechen?

Hygiene ist viel wichtiger als Pfunde

Achim Kaufmann, Sprecher der Gelsenkirchener Gastronomen winkt ab. Die Optik sei vollkommen egal, allerdings müsse die Gesamterscheinung gepflegt sein, die Hygiene müsse stimmen. Dann zeige der Alltag, wer den täglichen Anforderungen während der vielen Stunden Stand hält. „Man darf Menschen nicht nieder machen, nur weil sie ein paar Kilos mehr haben.“

Er würde sofort einschreiten, wenn ihm solche Fälle bekannt würden. „Bei mir fliegt eine Servicekraft auch mit Modellmaßen sofort raus, wenn sie zu doof ist.“ Dass dicke Mitarbeiter schwerer am Job zu tragen haben, bestreitet Kaufmann nicht - aber da müssen sie eben durch. Durchhalten gelte für alle.

Übergewichtige müssen sich Sympathie oft erst erobern

Der Sprecher von Hotel- und Gaststättenverband Nothoff betont, dass es gerade im Servicebereich um die gesamte Ausstrahlung eines Menschen gehe. Wichtiger als Kleidergrößen sei ein charmanter Umgang mit dem Gast, damit der sich sofort wohl fühle.

Persönliche Ausstrahlung wiege mehr als die tatsächlichen Pfunde, die jemand auf die Waage bringe. Er räumte allerdings ein, dass dünnen Menschen sofort eine gewisse Grundsympathie entgegenströme, die sich gewichtige erst erobern müssten.

Nothoff erinnerte vor diesem Hintergrund aber auch daran, dass viele bekannte Köche schließlich auch dick sind. „Traue keinem dünnen Koch“ steht übrigens auf einem großen Schild über dem Kücheneingang eines Spitzenrestaurant.