Gelsenkirchen.
Am Rasthof „Resser Mark“ können Lkw-Fahrer Aufprall und Überschlag simulieren. Bis Mittwoch, steht die Autobahnpolizei Münster zusammen mit Deutschem Verkehrssicherheitsrat und der BG Verkehr von 9 bis 16 Uhr an der Raststätte.
Jürgen Schöbel drückt aufs Knöpfchen, der Aufprallschlitten setzt sich in Bewegung. Nach gut vier Metern rumst es; für Ingo Modner, der durchgeschüttelt wird, ist die Fahrt abrupt beendet. Ein simulierter Auffahr-Unfall. Ein Glück, dass der „Testfahrer“ angeschnallt ist.
Wie hoch er das Tempo im Augenblick des Aufpralls einschätzt, will Schöbel wissen, und der Mitarbeiter der BG Verkehr schmunzelt bei der Frage, denn er ahnt bereits die falsche Antwort. „So um die 50 km/h“. Tatsächlich waren es 9,3 km/h. Der große PC-Bildschirm an der Prallwand verrät noch mehr. Bei einem Körpergewicht von 100 Kilo war Ingo Modner einem Aufprallgewicht von 352,99 Kilo ausgesetzt gewesen. „Bei Tempo 30“ wären es 3,5 Tonnen gewesen, bei Tempo 80 sogar 25 Tonnen“, erklärt der Sicherheitsberater der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft, „so ein Aufprallgewicht kann kein Mensch mehr abfangen.“ Umso wichtiger ist der korrekt angelegte Gurt, der im gewerblichen Güterverkehr über einen Kontakt im Schloss den Airbag aktiviert.
Gurt sei Dank
Ingo Modner hat auf der Fahrt von Lünen nach Belgien an der A2-Raststätte „Resser Mark“ nur eine Pause einlegen wollen, als ihm bei der Einfahrt in den Parkplatzbereich ein Flyer mit einer freundlichen Einladung in die Hand gedrückt wird. „Verbringen Sie Ihre Pause heute mal bei der Polizei“, steht da. „Die Verkehrssicherheitsberatung der Autobahnpolizei möchte Sie über die Wichtigkeit des Sicherheitsgurtes informieren.“
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Drei Tage lang, bis Mittwoch, steht die Autobahnpolizei Münster von 9 bis 16 Uhr an der Raststätte „Resser Mark“ und informiert – in lockerer Gesprächsrunde bei einem Becher Kaffee im Zelt – zusammen mit Deutschem Verkehrssicherheitsrat und der BG Verkehr in Sicherheitsfragen beim gewerblichen Personen- und Güterverkehr. Im Aufprallschlitten kann fühlen, wem Hören allein nicht reicht. Die Attraktion ist aber der auf einem Truck montierte Überschlagsimulator, von dem es in Europa nur zwei Exemplare gibt. Hier kann der Berufskraftfahrer hautnah erleben, wie es ist, mit einer Zugmaschine eine 12 Meter tiefe Böschung hinunter zu rollen. Ingo Modner und sein Berufskollege Manuel Fritsche, der vor sechs Stunden in Gera aufgebrochen ist und nur noch die paar Kilometer bis Gladbeck und Duisburg vor der Nase hat, lassen sich auf das Abenteuer ein. Wieder drückt Schöbel einen Knopf, drückt er einen Hebel, und die beiden werden herumgewirbelt wie in einem Fahrgeschäft auf der Cranger Kirmes, hängen für Sekunden kopfüber in der Luft – Gurt sei Dank. Die Plüschtiere, die ihnen zu Demonstrationszwecken um die Ohren fliegen, tun nicht weh. Im „wirklichen Leben“ wären das Termoskannen, Kaffeemaschinen, Laptops und ähnliches, und dann sähe die Sache schon anders aus.
Fast die Hälfte aller Lkw-Fahrer schnallt sich nicht an
Eine repräsentative Erhebung unter 500 Berufskraftfahrern, erzählt Polizeihauptkommissar Christoph Becker von der Autobahnpolizei Münster, hat ergeben, dass sich rund die Hälfte nicht anschnallt. 44 Prozent finden den Gurt zu unbequem, 20 Prozent fühlen sich ohne Gurt sogar sicherer. Dreimal jährlich führt der Verkehrssicherheitsberater diese Aktionstage durch (immer auch in der Resser Mark), und bis Mittwoch rechnet er mit 500 Fahrern, die der freundlichen Einladung gefolgt sind. Die sich nicht nur durchwirbeln, sondern beim Kaffeeplausch auch über Lenk- und Ruhezeiten, digitale Kontrollgeräte oder Änderungen der Sozialvorschriften informieren lassen können.
Die beiden Berufskraftfahrter sind begeistert, und Ingo Modner hat sogar doppelten Spaß: Für ihn waren die Verwirbelungen ein unerwartetes Geburtstagsgeschenk.