Die Bundesregierung plant die Reduzierung des Wehr- und Zivildienstes von neun auf sechs Monate. Zahlreiche Träger in Gelsenkirchen befürchten nun, dass dabei „das Zwischenmenschliche" verloren geht.

Auf die von der neuen Bundesregierung geplante Verkürzung des Zivildienstes reagieren die Träger in Gelsenkirchen überwiegend kritisch. Der Koalitionsvertrag sieht vor, den Wehr- und Zivildienst ab 2011 von neun auf sechs Monate zu reduzieren.

Sollte es so kommen, wären vor allem die Rettungsdienste von der Umstellung betroffen: „Die Ausbildung zum Rettungssanitäter dauert drei Monate und ist zudem sehr teuer”, sagte Ilona Matlok vom Deutschen Roten Kreuz in Gelsenkirchen. Aktuell sind beim DRK stadtweit 26 „Zivis” beschäftigt. Matlok warnte: „Für den Rettungsdienst werden diese Stellen komplett wegfallen.” Der finanzielle und zeitliche Aufwand lohne sich einfach nicht für ein halbes Jahr. Besonders im Bereich der Behindertentransporte könne man jedoch kaum auf die Zivis verzichten: „Wir brauchen unbedingt Zivildienstleistende, denn sie arbeiten zuverlässig und eigenverantwortlich” -und sind für die tarifgebundenen Träger im Gegensatz selbst zu niedrig qualifizierten Kräften billig. Ein Wehrdienstverweigerer kostet die Träger jährlich etwa 6000 Euro.

Mit der Verkürzung werde der „Zivildienst für uns zunehmend weniger lukrativ”, sagte Gudrun Wischnewski, Geschäftsführerin der AWO in Gelsenkirchen. Natürlich nicht nur finanziell: Die 18 Zivildienstleistenden der AWO engagieren sich im „Sozialen Hilfsdienst” vorwiegend für ältere Menschen, gehen für sie einkaufen oder leisten ihnen Gesellschaft. Zwischenmenschliche Aufgaben, die „Kontinuität und keine ständig wechselnden Gesichter” benötigen: „Keiner lässt gern fremde Menschen in die Wohnung”, sagte Wischnewski.

Auch Klaus Korte vom Paritätischen Wohlfahrtsverband befürchtet, dass durch die Umstellung „für den Dienst am Menschen nur noch wenig Zeit bleibt.” Die Entwicklung sei „totschade” und für alle Beteiligten problematisch - für die Träger, die Betroffenen und auch für die Zivis: „Kaum ist jemand eingearbeitet, muss er sich schon wieder verabschieden.” Ein auf sechs Monate verkürzter Zivildienst gleiche eher einem Praktikum.

„Für die Professionalität und den guten Umgang mit den Menschen ist das absolut schlecht”, sagte Heike Lorenz von der Diakonie, bei der zurzeit zehn Zivis beschäftigt sind. Gerade „in den Bereichen Begleitung, Betreuung und Versorgung ist eine Eingewöhnungszeit unerlässlich.” Darüber hinaus verschwinde für die Zivildienstleistenden auch ein „soziale Lernfeld”, auf dem man wichtige Kompetenzen und Erfahrungen für das Leben sammeln könne.