Durch die Verkürzung des Zivildienstes könnten die jungen Leute in einigen Bereichen gar nicht mehr eingesetzt werden, befürchten Sozialverbände. Doch das freiwillige soziale Jahr sei nur bedingt eine Alternative.

Sie helfen den Patienten beim Essen, waschen sie oder gehen mit ihnen spazieren – die Zivildienstleistenden im Evangelischen Krankenhaus haben verschiedene Aufgaben. Wenn die jungen Männer fehlten, wäre das „ein gravierender Einschnitt”, sagt Pressesprecherin Melanie Wagner. Die Abschaffung des Wehrersatzdienstes steht noch nicht zur Debatte, dafür soll er – so hat es die neue schwarz-gelbe Regierung im Koalitionsvertrag formuliert – zum 1. Januar 2011 von neun auf sechs Monate verkürzt werden.

„Das ist eigentlich zu kurz, um etwas Sinnvolles zu leisten”, befürchtet Christian Bittner, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes in Mülheim. Wer im Rettungsdienst oder Hausnotrufdienst tätig sei, benötige eine medizinische Grundausbildung – und die dauere bis zu drei Monate. Hinzu kämen Urlaubstage, eventuell Krankheitsphasen, viel Zeit bleibe da nicht mehr. Unter diesen Bedingungen sei es außerdem schwierig, ein Vertrauensverhältnis zu den Menschen aufzubauen.

Das sieht die Caritas-Direktorin Regine Arntz ähnlich. „Wir haben die Verkürzung von zwölf auf neun Monate schon sehr gemerkt.” Meist sind die Zivildienstleistenden Schulabgänger, die zum gleichen Zeitpunkt beginnen. Wenn sie bereits nach sechs Monaten fertig sind, könnte eine große Lücke entstehen, vermutet Arntz. Ganz auf Zivis verzichten werde die Caritas aber wohl nicht. „Aber man kann dann nicht mehr so drauf bauen.”

Ob das freiwillige soziale Jahr (FSJ) eine Alternative sein könnte? Christian Bittner ist skeptisch: „Das ist sicherlich kein gleichwertiger Ersatz.” Der Anteil der Schulungen sei größer, außerdem gebe es keine Planungssicherheit. Eine Kündigung zum Monatsende reiche: Wer einen Studien- oder Ausbildungsplatz bekommt, hört mitunter schnell wieder auf. Auch Ehrenamtliche könnten den Verlust nicht ausgleichen. „Die meisten arbeiten und stehen in der Woche tagsüber nicht zur Verfügung.”

19 Freiwillige

Bei der Mülheimer Lebenshilfe leisten derzeit bereits 19 junge Menschen ein freiwilliges soziales Jahr. Die Zivi-Stellen hätten aus Mangel an Bewerbern nicht alle besetzt werden können, erzählt Annalena Mita, Leiterin des Assistenzdienstes. Fünf Zivis seien im ambulanten Bereich im Einsatz. „Wenn die Zeit auf sechs Monate reduziert wird, stellt sich die Frage, wo man sie noch einsetzen könnte.” Im Schulintegrationsdienst könnte das schwierig werden, glaubt Annalena Mita. Bei einer weiteren Verkürzung würden die Ansprechpartner mehrmals während eines Schuljahres wechseln. „Für den sozialen Bereich wäre das eine Katastrophe.”

Ganz auf den Einsatz von Zivildienstleistenden zu verzichten, hätte weitreichende Konsequenzen, ist Christian Bittner überzeugt. „Dann wäre es sehr schwierig, bestimmte Sachen aufrechtzuerhalten.” Für das „Essen auf Rädern” würden dann hauptamtliche Mitarbeiter benötigt. Die Folge: „Wir müssten die Preise anheben oder könnten den Dienst nicht mehr anbieten.”

Dabei seien es vor allem die Zivis, die sich etwas mehr Zeit nähmen und mit den älteren Menschen plauderten. „Die Betreuung der Bewohner ist besser, wenn die Zivis mehr Zeit mit ihnen verbringen”, sagt auch Melanie Wagner vom Evangelischen Krankenhaus, das zurzeit 16 junge Männer beschäftigt.

Doch nicht nur für Sozialverbände und betreute Personen, auch für die Zivis selbst sei eine Verkürzung problematisch. Wer sich für ein Studium entscheidet, kann seit der Umstellung auf Bachelor und Master meist nur im Wintersemester anfangen. Demnach müsste die Zeit zwischen Zivildienstende und Studienbeginn überbrückt werden.