Gelsenkirchen-Schalke. 120 Jahre alt wird Schalke 04 in diesem Jahr: In einer Sonderfolge des Schalke-Talks erinnern sich Reporter und Spieler an frühere Zeiten.

Diese Kneipe lebt und atmet Schalker Geschichte: Wo sonst findet man auf einer unscheinbaren Sitzbank ein Schild, das verkündet, dass Ernst Kuzorra persönlich hier seinen Stammplatz hatte? Es hätte für einen Abend zum Thema 120 Jahre Schalke also kaum einen besseren Ort geben können als Bosch, das Schalker Vereinslokal direkt neben der alten Glückaufkampfbahn.

„19:04 – der Schalke-Talk“: Unter diesem Motto analysieren Redakteure und Schalke-Experten der WAZ seit zwei Jahren das Geschehen rund um den FC Schalke, zu sehen ist das auf der Videoplattform YouTube und auf waz.de. Dieses Mal hatte der Schalke-Talk aber die gewohnte Studioatmosphäre verlassen: Den 120. Geburtstag nahm das Team um WAZ-Lokalchef Sinan Sat und Schalke-Reporter Andreas Ernst zum Anlass, sich vor Ort auf Spurensuche zu begeben, und dazu hatte man hochkarätige Gäste gewinnen können: Reporterlegende Werner Hansch war da, genau wie Dirk große Schlarmann, der seit vielen Jahren für den Sportsender Sky über Schalke berichtet, und Peter Müller, langjähriger Sportchef der WAZ.

„Schalke ist nie rational – Schalke ist immer emotional“

Launige Runde: Andreas Ernst, Peter Müller, Werner Hansch, Dirk große Schlarmann und Sinan Sat unterhielten sich über 120 Jahre Schalke 04.
Launige Runde: Andreas Ernst, Peter Müller, Werner Hansch, Dirk große Schlarmann und Sinan Sat unterhielten sich über 120 Jahre Schalke 04. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Dazu gesellten sich noch die ehemaligen Schalke-Spieler Rüdiger „Abi“ Abramczik und Dietmar „Didi“ Schacht sowie Bodo Menze, „Vater“ der Knappenschmiede und Stadionsprecher Dirk Oberschulte-Beckmann: Alles angerichtet also für einen launigen Abend mit jeder Menge Anekdoten – und ganz viel Platz für Emotionen, präsentiert vom Gelsenkirchener Unternehmen Automobile Basdorf.

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Denn auf diesen Nenner konnten sich alle Beteiligten schnell einigen: „Schalke ist nie rational – Schalke ist immer emotional“, brachte es Peter Müller auf den Punkt. Und wie schnell die Emotionen zutage treten, das wurde deutlich, als Müller zu einer Lobrede auf Rüdiger Abramczik ansetzte: „Schalke hatte erst Stan Libuda – und dann hatte Schalke Abi“, lobte Müller den einstigen „Flankengott“ – da wurden die Augen des so Gelobten sichtlich feucht.

Darum wechselte „Abi“ zum BVB und nicht zu den Bayern

Fachsimpeln bei Bosch: Sinan Sat im Gespräch mit Werner Hansch und Dietmar „Didi“ Schacht.
Fachsimpeln bei Bosch: Sinan Sat im Gespräch mit Werner Hansch und Dietmar „Didi“ Schacht. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Abramczik revanchierte sich für das Lob dann auch prompt mit einer Anekdote aus seiner (kurzen) Zeit als Nationalspieler und verdeutlichte, dass er nicht nur Qualitäten als Fußballer, sondern auch als Entertainer besitzt. Dass er nur vergleichsweise wenige Spiele für die DFB-Elf bestritten habe, liege daran, dass er sich mit dem damals allmächtigen DFB-Chef Hermann Neuberger angelegt hatte. „Der hat mir nach einem Länderspiel einmal auf dem Flughafen gesagt ,Sie haben aber schlecht gespielt‘“, erinnerte sich „Abi“. „Meine Antwort: ,Sie haben doch keine Ahnung vom Fußball!‘“ Daraufhin sei das Tischtuch zerschnitten gewesen.

Den etwa 40 Gästen im Saal von Bosch verriet Abramczik aber auch, dass er ein Angebot von Bayern München abgelehnt hat: „Uli Hoeneß hat mich angerufen und wollte mich nach München holen“, erzählte der gebürtige Erler. „Ich hatte aber zuvor schon BVB-Präsident Reinhard Rauball mündlich zugesagt, nach Dortmund zu wechseln, und daran wollte ich mich auch halten.“ Für soviel Aufrichtigkeit gab es Applaus – aber auch einen kleinen Tadel von Moderator Sinan Sat, das Wort „Dortmund“ doch bitte nicht zu häufig in den Mund zu nehmen.

Werner Hansch: Das war Rudi Assauers persönliche Tragödie

Emotional wurde es auch beim Thema Rudi Assauer: Werner Hansch erinnerte daran, dass es hauptsächlich ihm zu verdanken gewesen sei, dass Schalke nach dem Aufstieg 1991 so viele Erfolge habe feiern können, den UEFA-Pokal-Sieg und die drei Pokalsiege. Hansch berichtete aber auch von der Entlassung Assauers und dessen persönlicher Tragödie: „Seine Mutter und sein Bruder waren an Alzheimer erkrankt, und er hatte immer Angst davor, auch diese Krankheit zu bekommen – genauso ist es ja am Ende gekommen“, erzählte Hansch.

Schalke-Legenden und Reporter reden über ihre S04-Highlights

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    Rudi-Assauer-Geschichten wusste fast jeder der Anwesenden zu erzählen: Dirk große Schlarmann etwa erinnerte sich daran, wie er als junger Reporter zum ersten Mal ein Handy mit zu einer Pressekonferenz brachte. „Das klingelte dann prompt, und ich wusste nicht, wie man es ausschaltete“, erzählte der Sky-Reporter. Rudi Assauer sei gnadenlos gewesen: „Er hat mich sofort aus dem Raum geworfen“, sagte große Schlarmann schmunzelnd.

    Sonderfolge des Schalke-Talks auf YouTube und waz.de.

    Und heute? Heute spielt Schalke in der zweiten Liga, hat gerade erst den Klassenerhalt geschafft. Zumindest Peter Müller konnte all diejenigen beruhigen, die der Meinung sind, das sei die schlimmste Krise seit Vereinsgründung: „Ach was“, winkte der Reporter-Veteran ab, „das ist doch alles schon einmal dagewesen: Schalke wird ewig leben.“

    Um wieder in die Erfolgsspur zu kommen, brauche es aber einen Mentalitätswechsel, auch da waren sich die Anwesenden einig. Schalke müssen man leben, oder, wie Dietmar Schacht es formulierte: „Wenn ich morgens aufwache, dann sage ich Danke, lieber Gott, dass ich für Schalke unterwegs sein darf.“ Dirk große Schlarmann brachte es mit seinem Schlusswort auf den Punkt: „Schalke funktioniert nur mit Leuten, die wissen, wofür Schalke steht.“