Gelsenkirchen. Der Name Schalke war schon Jahrhunderte vor der Gründung des Fußballclubs ein Begriff: Mitten im heutigen Gelsenkirchen stand der „Hof Schalke“.

Diesen Text haben wir erstmals im Mai 2024 veröffentlicht.

120 Jahre alt wird der Fußballverein FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. in diesem Jahr – und auch, wenn sich gerade düstere Wolken über dem Vereinsgelände am Berger Feld zusammengezogen haben, gehen wir zumindest für die Dauer dieses Artikels einmal stark davon aus, dass es nicht der letzte Geburtstag ist, den Schalke feiert. Und statt in eine ungewisse Zukunft werfen wir den Blick einmal zurück in die Vergangenheit. In diesem Fall: Sehr weit zurück. 700 Jahre weit zurück.

Dass Schalke der berühmteste Stadtteil der Welt ist, das ist bekannt: Es ist ein altes Klischee, dass Gelsenkirchener im Ausland, gefragt nach ihrer Heimatstadt, zunächst Achselzucken ernten – sobald sie aber den Namen „Schalke“ erwähnen, fast jeder weiß, woher sie kommen. Doch Schalke assoziieren die meisten mit dem Fußballverein – den Stadtteil haben deutlich weniger Menschen auf dem Schirm. Und nicht einmal in Gelsenkirchen-Schalke ist weitläufig bekannt, dass es einmal einen „Hof Schalke“ gab, viele Jahre bevor sich einen Steinwurf weiter auf einer Wiese ein paar Jungs zum Kicken trafen und den Grundstein für den FC Schalke 04 legten.

Stein im Gelsenkirchener Stadtgarten erinnert an den Hof

Hans-Joachim Koenen steht am 26.03.2024 im Stadtgarten Gelsenkirchen vor dem Gedenkstein für den ehemaligen Hof Schalke.
Erinnerung: Heimatforscher Hans-Joachim Koenen steht vor dem Gedenkstein für den ehemaligen Hof Schalke. © WAZ | Matthias Heselmann

Hans-Joachim Koenen ist Heimatforscher, seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit der Geschichte Gelsenkirchens und hat auch schon zahlreiche Bücher zum Thema veröffentlicht. Heute steht er im Stadtgarten vor einem unscheinbaren Stein, an dem jeden Tag hunderte Spaziergänger meist achtlos vorübergehen. Der Stein markiert nicht ganz genau die Stelle, wo der Hof über mehr als 550 Jahre lang stand, aber eine inzwischen leicht verblasste Metalltafel erinnert an den Bauernhof mit dem inzwischen so berühmten Namen.

Im Jahr 1332 wurde der Hof zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt. Von einer Stadt Gelsenkirchen war damals noch nicht einmal ansatzweise die Rede, dort, wo 600 Jahre später einmal das industrielle Herz Westdeutschlands schlagen sollte, standen verstreut ein paar Bauernhöfe. Unter ihnen eben auch der Hof Schalke. Später taucht der Name immer wieder in diversen Dokumenten auf: Vor allem in Abgabelisten, denn die Bauern Schalke mussten etwa dem Stift Essen jedes Jahr einen Teil der erwirtschafteten Güter überlassen.

„Schädelförmige Gegend“: So lässt sich der Name Schalke erklären

Es sei aber nicht so, dass der Name des Hofes dem späteren Dorf einen Namen gegeben hat – „es war eher umgekehrt“, sagt Hans-Joachim Koenen. „Die Bedeutung des Namens Schalke ist nicht ganz geklärt“, berichtet er. „Im Laufe der Jahrhunderte findet man verschiedene Namen, unter anderem Scedelike, Scadeleke, Schadelick und Schalecke, aus dem später die heutige Bezeichnung entstand.“ Am wahrscheinlichsten sei die Deutung, nach der die Siedlung an der südlichen Seite einer „schädelförmigen“ Bodenwelle lag – „Schalke“ würde als „Siedlung an schädelförmiger Gegend“ bedeuten.

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„Der Name des Hofes beziehungsweise der Familie Schalke bezieht sich also schlicht darauf, dass sie ihren Hof in der Siedlung Schalke hatten“, vermutet Koenen. Er kann auch mit einiger Sicherheit sagen, wo der Hof stand. Koenen steht auf dem Parkplatz des Plaza-Hotels (ehemals Maritim) und blickt von oben auf die Feldmarkstraße. Beiderseits der viel befahrenen Straße, die in dieser Form in den 1970er-Jahren angelegt wurde, habe der Hof gestanden – zu sehen ist davon allerdings nichts mehr.

Deshalb verkaufte August Schalke seinen Hof

Denn Ende des 19. Jahrhunderts endete die Geschichte des Hofes. August Schalke, der letzte Bauer, verkaufte den Hof und das dazugehörige Land im Jahr 1895 an die Stadt Gelsenkirchen: Die Stadt benötigte die Fläche für den damals neu geplanten Stadtgarten. „Mit dem Geld aus dem Verkauf ließ sich August Schalke eine Villa in der Nähe bauen, etwa dort, wo sich heute die Kreuzung Rheinische Straße/Feldmarkstraße befindet“, berichtet Hans-Joachim Koenen. Diese Villa steht allerdings auch nicht mehr.

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Zu diesem Zeitpunkt war Schalke schon längst kein Bauerndorf mehr, sondern ein boomender Wirtschaftsstandort mit Zechen und Schwerindustrie, die Einwohnerzahlen waren in wenigen Jahrzehnten explodiert, vor allem aus den ländlichen Gebieten im Osten des Deutschen Reiches strömten die Menschen nur so ins Ruhrgebiet. 1903 wurde Schalke als Ortsteil in die Stadt Gelsenkirchen eingemeindet, ein Jahr später beschlossen ein paar Jugendliche, die Spaß am Fußball hatten, einen Verein zu gründen. Der hieß zunächst Westfalia Schalke und spielte in gelb-roten Trikots, erst 1924 trennten sich die Fußballer des Vereins von den Turnern von Westfalia, änderten die Farben in Blau und Weiß und gaben sich nach dem Gründungsjahr den Namen Schalke 04. Der Rest ist Geschichte.

Der Familienname Schalke ist heute ausgestorben, August Schalke starb 1914, zuletzt gab es noch einige weibliche Nachfahren, die dann aber durch Heirat andere Namen annahmen. Schade eigentlich, denn beim Vorstellen hätte eine Frau Schalke, ein Herr Schalke es einfach: „Schalke – so wie der Fußballverein. Kennen Sie bestimmt.“