Gelsenkirchen. Geschäftsnamen und Schaufensterwerbung auf Arabisch: „Viele Gelsenkirchener fühlen sich in ihrer Stadt zunehmend fremd“.
Der Wandel der Stadtgesellschaft in Gelsenkirchen ist ein allgegenwertiges Thema, was ganz besonders in der Innenstadt deutlich wird. Vom Besuch einzelner, sehr beliebter Stadtfeste und dem wöchentlichen Feierabendmarkt (mittwochs) abgesehen, meiden viele alteingesessene Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener die City auch deshalb, weil sie sich rund um die Bahnhofstraße zunehmend fremd in ihrer eigenen Stadt fühlen. Obgleich es dazu keine repräsentative Umfrage gibt, ist das zumindest die Erfahrung der WAZ-Redakteurinnen und -Redakteure aus zahlreichen Gesprächen mit Lesern und Bewohnern der Stadt in den vergangenen Jahren.
Ähnlich nimmt es offensichtlich auch die hiesige CDU wahr, die über ihren Stadtverordneten Julian Siempelkamp deshalb jetzt im Ordnungsausschuss der Stadt von der Stadtverwaltung wissen will, ob es eigentlich rechtens ist, wenn Geschäfte in Gelsenkirchen nur noch in arabischer Schrift werben und keine lateinischen Buchstaben mehr nutzen. „Gerade rund um den Markt am Margarethe-Zingler-Platz und der Hauptstraße sind uns solche Geschäfte zunehmend aufgefallen und wir werden häufig von Bürgerinnen und Bürgern angesprochen, die sich nicht mehr heimisch fühlen, weil sie nicht einmal mehr lesen können, wie das Geschäft heißt oder was angeboten wird, wenn es dort auf arabisch steht“, erklärt Siempelkamp auf WAZ-Nachfrage.
Geschäftsleute an der Hauptstraße schlagen Alarm
Ähnlich argumentierte vor einigen Monaten auch ein Zusammenschluss von Ladeninhabern in dem Viertel, wenngleich ihre Kritik nur im Ungefähren blieb. „Wir müssen mit Schrecken beobachten, dass sich unser Viertel gefühlt seit zehn Jahren in einem ungebremsten Sinkflug befindet. Das liegt sicher nicht an den wenigen Leerständen, sondern eher an den vielen Fehlbelegungen. Als Stadt kann man Immobilieneignern natürlich nicht vorschreiben, an wen zu vermieten ist“, heißt es darin. Aber man könnte durch die Wirtschaftsförderung „beratend und moderierend begleiten“, hieß es damals.
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Dabei ging und geht es den Geschäftsleuten vor allem um das äußere Erscheinungsbild – geregelt in Form der Gestaltungssatzung, die für den Handel verbindlich gilt. „Außendarstellung, Außenreklame sowie Warenpräsentation unterliegen klaren Regeln, die in der Gestaltungssatzung (Mai 2008, Reform Februar 2022) beschrieben sind und an die man gebunden ist. Dies wird aber seit jeher weder kontrolliert noch bei Verstößen sanktioniert. Dementsprechend schaut es im Viertel, in der Hauptstraße, Hansemannstraße und am Alten Markt auch aus“, beklagt der Zusammenschluss von einigen Händlerinnen und Händlern die Situation im Quartier.
Was sie stört, nannten die Geschäftsleute trotz Nachfrage nicht konkret beim Namen. Hinzugekommen sind in den vergangenen Jahren aber vor allem Boutiquen und Läden mit Werbeschildern und Schaufenster-Texten auf Arabisch.
Arabische Werbetafeln in vielen türkischen Städten verboten
Was offenkundig nicht wenige stört, ist aber längst nicht verboten, wie einmal mehr aus der Antwort der Stadtverwaltung auf die Frage der CDU deutlich wird. „Gewerberechtlich gibt es keine Vorgaben oder Anforderungen bezüglich der Werbung von Verkaufsstellen. Der Gewerbetreibende kann die Schriftart und Schriftform, die Sprache und das Schriftbild selbst bestimmen. Dies ist Ausfluss der grundgesetzlich garantierten Gewerbefreiheit“, heißt es dort.
Anders wird es im Übrigen in der Türkei gehandhabt, wo Ordnungsämter und Polizisten in vielen Städten seit Jahren rabiat gegen Reklametafeln in arabischer Schrift vorgehen und diese von den Fronten unzähliger Geschäfte abgerissen haben, die meist von syrischen Einwanderern und ehemals Geflüchteten betrieben werden. Hintergrund sind die wachsenden anti-arabischen Ressentiments in der Türkei, seit das Land mehrere Millionen Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, aufgenommen hat. Um dieser Stimmung Rechnung zu tragen, erließen in den vergangenen Jahren immer mehr Bürgermeister Verbote von arabischen Reklametafeln in türkischen Städten, weil sich viele Bürger in ihrer Heimat zunehmend fremdgefühlt hätten.