Gelsenkirchen. Hohe Fluktuation bei Schiris im Amateurfußball: Um genug neue Schiris zu haben, gibt es Kurse, aber an dieser simplen Aufgabe scheitern viele.

Die Zahl der Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle im Fußball stieg laut DFB in der Spielzeit 2022/23 im Vergleich zur Vorsaison von 5.847 auf 6.224, die Zahl der Spielabbrüche von 945 auf 961. Gemessen an den insgesamt 1.234.154 Partien kommt es zwar verhältnismäßig selten zu einem gemeldeten Angriff, dennoch bleibt das Thema im Amateurfußball allgegenwärtig.

Auch in Gelsenkirchen kommt es immer mal wieder zu gewaltsamen Übergriffen auf und neben dem Fußballplatz. Nach Angaben des Fußball- und Leichtathletikkreises Gelsenkirchen hat es allein in der vergangenen Saison insgesamt 183 Verfahren wegen Gewalt auf dem Fußballplatz gegeben, 112 im Senioren- und 71 im Jugendbereich. In der laufenden Saison zeichnet sich bei den aktuell 89 Senioren- und 362 Jugendmannschaften ein ähnlicher Trend ab.

Ulrich Sabellek ist der Sprecher der Schiedsrichter-Vereinigung des Fußballkreises 12 (Gelsenkirchen, Gladbeck, Kirchhellen).
Ulrich Sabellek ist der Sprecher der Schiedsrichter-Vereinigung des Fußballkreises 12 (Gelsenkirchen, Gladbeck, Kirchhellen). © VfB Kirchhellen | VfB Kirchhellen

In der Folge gibt es immer weniger Jugendliche und junge Erwachsene, die bereit sind, sich zum Schiedsrichter ausbilden zu lassen, könnte man meinen. Doch Ulrich Sabellek, Sprecher der Schiedsrichter-Vereinigung, berichtet im WAZ-Gespräch, dass die Zahl der Schiedsrichteranwärter gar nicht so sehr das Problem sei. Vielmehr treibt die Verantwortlichen im Fußballkreis um, dass vergleichsweise wenige die nicht besonders hohen Ansprüche erfüllen.

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Zwei Schiedsrichterlehrgänge gibt es jährlich in Gelsenkirchen. Der nächste beginnt am 11. April und Interessierte (ab zwölf Jahren) können sich noch anmelden. Voraussetzungen sind Deutschkenntnisse in Wort und Schrift und vor allem eine erfolgreiche absolvierte Laufprüfung. Doch gerade an Letzterer scheitern viele Bewerber, weiß Sabellek zu berichten.

Die kürzeren Läufe über 50 und 100 Meter in 9,5 bzw. 16,6 Sekunden (Frauen: 11 und 19 Sekunden) seien dabei gar nicht so sehr das Problem, aber 1000 Meter in fünfeinhalb Minuten (Frauen: sechs Minuten) zu laufen, sei für viele offenbar eine zu große Herausforderung. „Für alle, die irgendwo in einem Verein Fußball spielen, ist das kein Problem, aber inzwischen gibt es auch ziemlich viele unsportliche Anwärter. Dabei sind 1000 Meter in fünfeinhalb Minuten eigentlich echt kein Problem“, sagt Sabellek.

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Auch Frank Kaczmarczik, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses, ist einigermaßen erstaunt, dass schon ein Kilometer für viele Bewerber zu viel ist, aber so erkläre sich hauptsächlich, dass am Ende nur rund die Hälfte der potenziellen neuen Schiedsrichter den Kurs besteht. „Wir haben aktuell 41 Anmeldungen, erfahrungsgemäß kommen aber nur 30 tatsächlich und dann scheitern eben noch einige an der Laufeinheit“, zieht Kaczmarczik Bilanz. Trotzdem sei man im Kreis noch gut aufgestellt. Rund 200 Schiedsrichter sind in Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop tätig. Jährlich hören etwa 40 von ihnen auf und ebenso viele beginnen ihre Schiri-Laufbahn.

Frank Kaczmarczik ist Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses im Kreis Gelsenkirchen.
Frank Kaczmarczik ist Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses im Kreis Gelsenkirchen. © Frank Kaczmarczik

Neben einer kleinen Aufwandsentschädigung für die Referees pro Einsatz berge die Schiedsrichtertätigkeit vor allem noch ganz andere Vorteile, werben Kaczmarczik und Sabellek: „Es fördert die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit, die Entscheidungskompetenz, Verantwortungsbewusstsein, souveränes Auftreten. Und: Arbeitgeber sehen in Bewerbungsschreiben gerne diese ehrenamtliche Tätigkeit“.

Schiedsrichter im Amateurfußball sollen besser geschützt werden

Trotzdem verschweigen die beiden erfahrenen Schiris auf Nachfrage nicht, dass Unparteiische auch hier im Kreis immer mal wieder Beschimpfungen oder Attacken ausgesetzt sind. Dabei sind sich Kaczmarczik und Sabellek einig, dass es heute nicht schlimmer sei als früher, obwohl die Wahrnehmung vieler vielleicht eine andere sei. Heute würden nur sehr viel mehr Fälle durch (soziale) Medien bekannter. „Natürlich ist das auch eine Hürde, wenn es darum geht, ausreichend Schiedsrichter-Nachwuchs zu gewinnen.“

Auch deshalb sollen Schiedsrichter grundsätzlich besser geschützt werden. Mit einer Reihe von Maßnahmen soll der Gewalt entgegengewirkt werden. Dazu blickt man im Gelsenkirchener Fußballkreis gerade auch interessiert in andere Ruhrgebietsstädte, um möglicherweise ebenfalls einen „Pakt gegen Gewalt“ zu beschließen. Der Pakt gegen Gewalt, so wie es ihn beispielsweise in Duisburg und bald wohl auch in Mülheim an der Ruhr gibt, ist ein umfangreiches Paket aus Prävention, Intervention und Sanktion.

Das mehrstufige Sanktionsverfahren beginnt mit Ansprache und Aufklärung, geht über Verwarnungen und kann bis zu Kürzungen von Geldern oder gar Entzug der Sportstätte reichen. Auch individuelle Betretungsverbote von städtischen Sportanlagen sind bei schwerwiegenden Vorfällen möglich, damit Gewalttäter nicht nur für Meisterschaftsspiele gesperrt sind, sondern auch nicht trainieren können.

Infos zum Schiedsrichter-Anwärterlehrgang in Gelsenkirchen

Voraussetzungen

Mindestalter: zwölf Jahre, Deutschkenntnisse in Wort und Schrift. Die Laufprüfung am 13. April 2024 muss erfolgreich absolviert werden, um am weiteren Lehrgang teilnehmen zu können. Prüfungszeiten für die Laufstrecken: - 50m in max. 9,5 Sek. (Frauen 11 Sek.) - 100m in max. 16,6 Sek (Frauen 19 Sek.) - 1000m in max. 5:30 Min. (Frauen 6:00 Min.). Daher gilt: bitte trainieren!

Inhalte

Die künftigen Schiedsrichter werden in den 17 Fußballregeln ausgebildet. Der erste Teil besteht aus einem Lauftest auf dem Sportplatz. Im Anwärterlehrgang wird das nötige Wissen vermittelt und am Ende in einer theoretischen Prüfung (zweiter Teil) mit 30 Regelfragen abgefragt.

Ziele

Mit Bestehen der praktischen und theoretischen Prüfung ist man ausgebildeter Schiedsrichter. Die ersten Spiele werden im Jugendbereich absolviert, um sich an die neue Aufgabe zu gewöhnen. Dabei werden die neuen Schiedsrichter von „Paten“ begleitet, das sind erfahrene Schiedsrichter, die die neuen Kollegen unterstützen.

Zielgruppe

Jede fußballinteressierte Person ab zwölf - egal, ob aktiver Spieler oder nicht. Achtung: Dies ist ein Präsenzlehrgang, die Elemente der Online-Schulung stehen nur zur Nachbereitung der Themen zur Verfügung!

Termine

11.04.24 Donnerstag 18-21:30 Uhr /

13.04.24 Samstag 10-12 Uhr Laufprüfung Schürenkamp

17.04.24 Mittwoch 18-21:30 Uhr

19.04.24 Freitag 18-21:30 Uhr

22.04.24 Montag 18-21 Uhr

23.04.24 Dienstag 18-21:30 Uhr

25.04.24 Donnerstag 18-21 Uhr

27.04.24 Samstag 10-12 Uhr für Regeltest

Ansprechpartner: Lars Sielemann, lars.sielemann@flvw.de, 0172 75 92 425