Gelsenkirchen. Im Falken-Jugendzentrum Spunk treffen Kulturen und Meinungen aufeinander. Ein Besuch beim Workshop zum Umgang mit Hass und Stammtischparolen.

„Ausländer nehmen uns die Arbeit weg: Stimmt das?“ Am Tisch im Ückendorfer Jugendzentrum Spunk sitzen neben Workshop-Leiter Sascha unter den Teilnehmenden des Anti-Rassismus-Workshops auch „ausländische“ Jugendliche. „Ja. Das sagen die doch selber“, meint eines der Mädchen am Tisch, offensichtlich ohne Migrationshintergrund.

Sie erzählt von einem türkischstämmigen Jungen aus ihrer Klasse, der das gesagt habe. Mezzo, der als Junge vor dem Balkan-Krieg aus Serbien nach Deutschland geflüchtet ist, sagt: „Von wegen. Deutsche wollten diese schlecht bezahlten, schmutzigen Arbeitsplätze gar nicht. Jetzt werden diese besser bezahlt, da wollen die das auch.“ Was Ausländer fürchten, sei auch Verdrängung aus günstigen Wohngebieten durch neue Zuwanderer, erklärt er weiter. Verblüffend, wie einfach und direkt Argumentieren sein kann, wenn Menschen miteinander sprechen.

„Bei Verallgemeinerung sollte man immer nachhaken!“

Sascha staunt. Es war sein erstes Beispiel für Stammtischparolen, wobei die meisten hier anfangs gar nicht wussten, was „Stammtischparolen“ sind. Nach seiner Einführung wissen sie es, und bei den meisten folgenden Beispielen können einige kaum fassen, dass Menschen das wirklich glauben. „Alle Moslems sind Terroristen. Ist das so?“, lautet das nächste Beispiel. „Das kann ja schon nicht sein, weil hier mehrere am Tisch sitzen, die keine sind. Quatsch.“ Da gibt es hier keine zwei Meinungen.

„Ausländer sind kriminell“, titelte erst jüngst wieder eine Zeitung mit großen Buchstaben. Als Beleg diente die jüngste Kriminalstatistik, die in der Tat einen recht hohen Anteil von Straftaten durch Menschen mit Migrationshintergrund ausweist. Mehr als 30 Prozent; das ist mehr, als deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmacht. „Aber das heißt auch, dass mehr als 60 Prozent der Straftaten von Deutschen begangen wurden“, nennt Sascha als Beispiel für ein Gegenargument. Zumal ein Teil der Vergehen - Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht zum Beispiel - von Deutschen gar nicht begangen werden können. „Bei Verallgemeinerung sollte man immer nachhaken“, mahnt Sascha.

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„Die sind nur lesbisch, weil sie keinen abgekriegt haben!“ Diesen frauenfeindlichen Spruch unterschreibt hier keiner. Obwohl nicht alle am Tisch der AfD völlig ablehnend gegenüber stehen, die ja betont auf ‚mehr Männlichkeit‘ setzt: Die ‚keinen abgekriegt‘-Behauptung findet die Runde ebenso lächerlich wie andere Sprüche, die queere Menschen beleidigen oder Schwule als „Weicheier“ bezeichnen.

Als eine Diskussion über die AfD und deren Ausländerfeindlichkeit aufkommt („Das kann doch gar nicht stimmen, da sind doch auch Ausländer drin.“ - „Doch, das sind alles Nazis!“ ), greift Sascha das Thema auf. „Da wird es emotional, das kenne ich auch von Familienfeiern mit alten Onkeln. ‚Nazi‘ ist wirklich ein sehr harter Vorwurf, der sicher nicht auf alle in der AfD zutrifft. Wenn man aus so einer Diskussion nicht herauskommt, es zu emotional wird, darf man auch mal die „weiche Wand“ nutzen. Das heißt: Sagen, was man für Blödsinn hält, aber bitten, das Thema nicht weiter zu besprechen. Um ein weiteres Miteinander möglich zu machen“, rät er.

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Beim Thema emotional mischt sich Jerome ein, Bundesfreiwilligendienstler im Spunk: „Mit viel Anerkennung kommt oft auch viel Hass. Zum Beispiel gegen Klimaaktivisten oder auch mit der Anerkennung anderer Geschlechter als männlich und weiblich“, erklärt er. Sascha empfiehlt unterdessen, bei zunehmend hitzigen, allzu emotionalen Gesprächen lieber Ich-Botschaften zu schicken. Vor allem aber rät er: „Ihr müsst weg vom ‚die‘. Die da oben, die Ausländer, die Frauen, die Schwulen: Pauschalisierung führt zu nichts“, mahnt er.

Bei Thema bleiben und sich nicht lustig machen

Seine Tipps: Beim Thema bleiben, statt immer zu neuen Themen zu wechseln, nicht die ganze Person ablehnen, sondern nur die geäußerte Meinung, sich nicht lustig machen über den anderen.

Mehr zu wirksamem Argumentieren gegen Rassismus und dem Umgang mit Hass in sozialen Medien soll es bald in einem weiteren Workshop im Spunk geben. Heute wird erstmal zusammen aufgeräumt. Man kennt und schätzt einander hier, auch wenn nicht alle einer Meinung sind.