Gelsenkirchen-Bismarck. Der Hammer kreist, es entstehen feine Häuser und Lofts. Nur an einer Stelle hakt’s in Graf Bismarck. Bahnt sich jetzt eine Lösung an?
Hämmern, bohren, sägen – wer durch die schmucke Siedlung an der Johannes-Rau-Allee rund um „Stölting Harbor“ entlangschlendert, kann an vielen Baufeldern emsigen Handwerkern bei ihrem Tagewerk über die Schulter gucken. Ein und Mehrfamilienhäuser mit hübschen Lofts sind hier in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen – Wohnraum ist knapp im Revier, Wohnen am Wasser und dazu noch im Grünen wie hier heiß begehrt.
In der Marina dümpeln Boote glucksend im Wasser, abwartend, bis ihre Kiele die Wellen endlich wieder durchpflügen können. Ihre Saison naht mit jedem Frühlingstag mehr. Einen Steinwurf weiter ruht der See aber noch still in sich – keine Bauarbeiter, kein Kran, nichts, nur eine trostlose, mit Wasser gefüllte Baugrube.
Baugrube an Gelsenkirchener Marina: Schwierige Finanzlage und überraschende Abfallfunde
Die GBL Immobilienbau GmbH wollte hier an der Johannes-Rau-Allee/Ecke Karl-Arnold-Weg ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. Corona-Pandemie, Energiekrise, Ukraine-Krieg und letztendlich die Preisexplosionen erwiesen sich als Hürden. Zu hoch für ein von den Monheimern beauftragtes Bauunternehmen – es ging pleite. Auch an der GmbH sind die schwierigen Zeiten nicht spurlos vorbeigegangen, der Geschäftsbericht für 2021 weist einen Verlust von rund 715.000 Euro aus.
GBL-Geschäftsführer Liu Zhao Cai hatte daraufhin im vergangenen Herbst den vakanten Bauauftrag an ein anderes Unternehmen vergeben, und danach dafür gesorgt, dass Kröten, Molche und dergleichen Amphibien eingesammelt und umgesetzt wurden, damit in diesem Frühjahr die Arbeiten endlich beginnen können. Die Tiere hatten sich dort in der langen Ruhephase der Baustelle angesiedelt.
Aus der Traum - zumindest vorerst, wie Cai auf Nachfrage erklärt. Von „gestiegenen Baukosten“ berichtet er in einem Schwall von Ärger und Halbsätzen: Von einem Streit um „die Übernahme von Entsorgungskosten“, weil der Untergrund des ehemaligen Industriegeländes kontaminiert sei und ihn niemand darüber unterrichtet habe, sowie von „Problemen mit der Bank zwecks Nachfinanzierung“. Auch „vertragliche Ausschlussklauseln“ erwähnt der GBL-Geschäftsführer, der mit der deutschen Sprache noch hörbar Probleme hat. Demnach fühlt er sich von Stadt und NRW.Urban allein gelassen und verprellt, weil die qua Vertrag angeblich nichts mehr mit den Hinterlassenschaften aus der Ära Steinkohle zu tun haben. NRW.Urban ist in diesem Fall der Grundstücksverkäufer, die Stadt Genehmigungsbehörde für das Bauvorhaben.
Kontamination: Kostenübernahme bei Industrie-Hintelassenschaften setzt Gutachten voraus
Und nun, ist das Vorhaben geplatzt? Zurück auf Los und von vorne beginnen? Burkhard Bahrenberg ist Projektleiter bei NRW.Urban und mit dem Fall vertraut. Er beruhigt: „Wir sind im Dialog. Herr Cai hat leider Pech gehabt und im Randbereich seiner Immobilie Industrierückstände gefunden.“ Bahrenberg weiß aber, wie der Immobilienunternehmer sein Problem lösen kann.
Und zwar, in dem die GBL Immobilien GmbH „entsprechende gutachterliche Nachweise erbringt“. Denn unter bestimmten Bedingungen kommt NRW.Urban als Eigentümer und Verkäufer für die Mehrkosten der Entsorgung auf. Das hat die landeseigene Entwicklungsgesellschaft nach Recherche dieser Zeitung bereits in dem Fall schon getan. Und zwar, nachdem die GBL die Fläche aufbereitet und saniert hat - rund eine halbe Million Euro sind dazu nach WAZ-Informationen bereits geflossen.
Bahrenberg glaubt an eine einvernehmliche Lösung. Von Seiten der „öffentlichen Hand“ sei das Interesse groß, dass Käufer ihre Projekte verwirklichen. Deshalb wollen Stadt und NRW.Urban in Kürze darüber beraten, der Bitte von Liu Zhao Cai nach einer Verlängerung der Baufrist bis Ende 2025 zu entsprechen. Spätestens bis dahin haben Molche, Kröten und Co. noch die Chance, im Schatten der Marina die nächste Generation Amphibien in die Welt zu setzen.